Giorgio Vasaris Biografie über Leonardo da Vinci

Wer war Giorgio Vasari?

Giorgio Vasari (1511-1574) war ein Architekt und Maler aus Florenz. Er wurde zusammen mit Angehörigen der berühmten Adelsfamilie Medici ausgebildet und führte fortan deren Aufträge aus. Unter anderem war er verantwortlich für den Bau der Uffizien in Florenz. Ursprünglich ein Verwaltungsgebäude, ist es heute eines der bekanntesten Museen der Welt.

Ebenso zählte die Umgestaltung des "Saals der 500" im Palazzo Vecchio, Florenz zu seinen Aufgaben (1540). Der Saal ist vor allem dafür bekannt, dass Leonardo da Vinci dort die Schlacht von Anghiari gemalt haben soll. Zeitgleich soll der jüngere Michelangelo dort die Schlacht von Cascina gemalt haben. Beide Gemälde sind heute verschollen.

Giorgio Vasari war auch als Schriftsteller tätig. Sein Hauptwerk ist eine Sammlung von Künstlerbiografien "Das Leben der besten italienischen Architekten, Maler und Bildhauer von Cimabue bis heute". Durch dieses Werk gilt er heute als einer der ersten Kunsthistoriker. Enthalten ist unter anderem eine Biografie über Leonardo da Vinci. Von seinen Künstlerbiografien gibt es zwei Auflagen: Eine Erste von 1550 und eine Zweite, textlich leicht veränderte, aus dem Jahr 1568. Die untenstehende Ausgabe folgt der Übersetzung von Dr. Fritz Schillmann von 1948.

Welche Bedeutung hat Vasaris Biografie?

Quelle für die Kunstgeschichte

Vasaris Biografie zu Leonardo da Vinci wird hauptsächlich herangezogen, um die Autorschaft bestimmter Kunstwerke zu beweisen, in Leonardos Fall z.B. die "Madonna mit der Nelke", aber auch um Spuren verlorengegangener Gemälde aufzunehmen. Ebenso taucht nur bei ihm die Bezeichnung "Mona Lisa" für das berühmte Gemälde auf. Spätere Biografen übernahmen diesen Titel dann einfach.

Vasaris Rolle als Biograf ist sehr zwiespältig. Zum einen sind die Kunsthistoriker dankbar durch ihn überhaupt etwas zu erfahren. Andererseits macht er viele falsche Angaben, z.B. zum Alter Leonardos bei dessen Tod (75 statt 67 Jahre). Auch weist die unzutreffende Beschreibung der "Anna Selbdritt" daraufhin, dass er Hörensagen aufschrieb. Viele Widersprüche in der Leonardo Forschung gehen dann auch auf Vasaris Text zurück.

Vasari und der Kunsthandel in der Renaissance

Dazu erfahren wir aus Vasaris Leonardo Biografie von einem Medusa Schild den Leonardo hergestellt haben soll und der mit viel Gewinn u.a. durch den Herzog von Mailand gehandelt wurde, was deutlich macht, welche große Bedeutung der Kunsthandel auch damals schon in den Adelskreisen hatte. Zum Beispiel handelten nur hundert Jahre später der englische und der französische König das Leonardo Gemälde "Johannes der Täufer".
Hält man sich vor Augen, dass die Medicis, also Vasaris Hauptauftraggeber und unmittelbares Umfeld ursprünglich eine Bankiersfamilie waren, und nüchtern betrachtet seine sehr schmeichelhaften Künstlerbiografien lediglich zum Ziel hatten die Qualitiät bestimmter Künstler hervorzuheben und deren Werke zu benennen, so liegt der Verdacht nahe, dass es Vasari bei den Inhalten seiner weit verbreiteten Biografien nicht nur um hohe Verkaufszahlen der Bücher ging, sondern es auch um kommerzielle Interessen bei der Bewertung der Gemälde, die sich in seinem Besitz bzw. dem der Medici befanden. Man darf nicht vergessen, dass die Medici die größten Förderer der Renaissance Malerei waren, viele Renaissance Werke besaßen sie selbst. Als adelige Bankiersfamilie waren sie bestimmt keine rein gemeinnützige Organisation. Ihre Förderung der Kunst war immer auch eine Investition in den Kunstmarkt.

Vasaris Bekanntschaft mit Michelangelo

Seine persönliche Bekanntschaft mit dem betagten Michelangelo, ist auch hinsichtlich der Leonardo Biografie von Bedeutung. Sicherlich hat er von Michelangelo das eine oder andere über Leonardo gehört, da der 22 Jahre jüngere Michelangelo ihn noch persönlich erlebt hat. Allerdings hatten Michelangelo und Leonardo ein schwieriges Verhältnis, das sich aus dem Wettstreit der Künste ableitete (s. Paragone). Beide überzogen sich mit Schmähschriften, um die Kunst des jeweils anderen abzuwerten.

Vor dem Hintergrund der genannten Punkte beginge man einen Fehler Vasaris Angaben vollends Glauben zu schenken. Sie können dennoch einen Eindruck davon vermitteln, wie Leonardo gewirkt haben muss.

Das Leben des Leonardo da Vinci

Der originale Text von 1550/ 1568

(Der Text wurde in Abschnitte unterteilt und mit Überschriften versehen. Dies soll die Übersichtlichkeit und die Wiederfindbarkeit erhöhen. Überdies wurde der Text an passenden Stellen bebildert)

Die Legende

Reiche und manchmal übernatürliche Gaben sehen wir oft von der Natur mit Hilfe der himmlischen Einflüsse über einzelne Menschen ausgebreitet. Bisweilen aber vereinigen sich wie ein ungeheures Geschenk in einer einzigen Persönlichkeit Schönheit, Liebenswürdigkeit und Kunstbegabung so herrlich, daß jede ihrer Handlungen glücklich erscheint, alle anderen Sterblichen hinter ihr zurückbleiben und sich deutlich offenbart: ihre Leistung ist von Gott gespendet, nicht aber durch menschliche Kunst erworben. Dies erkannte man bei Leonardo da Vinci.

Sein Körper war mit nie genügend gepriesener Schönheit geschmückt, in allen seinen Handlungen zeigte er die größte Anmut, und er besaß so vollkommene Fähigkeiten, daß er auch das Schwierigste, was er unternahm, mit Leichtigkeit löste. Seltene Kraft verband sich in ihm mit Gewandtheit, sein Mut und seine Kühnheit waren erhaben und groß, und der Ruf seines Namens verbreitete sich so weit, daß er nicht nur von der Mitwelt, sondern noch viel mehr von der Nachwelt gepriesen wurde.

Wirklich wunderbar und gottbegnadet war Leonardo, der Sohn des Ser Piero da Vinci. Er würde als Gelehrter in den Wissenschaften Großes geleistet haben, wenn er weniger unbeständig und wandelbar gewesen wäre. Doch unternahm er viele Dinge und ließ die begonnenen sehr bald wieder liegen. So machte er in der Rechenkunst in wenigen Monaten unglaubliche Fortschritte und trug seinem Meister dauernd Zweifel und Einwände vor, die diesen oft in Verwirrung setzten. Auch die Musik begann er zu studieren und entschloss sich dann bald, das Lautenspiel zu lernen. Und da sein Sinn aufs Höchste gerichtet und voll der schönsten Gedanken war, improvisierte er zu diesem Instrument wundervolle Gesänge.

Ausbildung bei Verrocchio

Wenn er so auch vielerlei Dinge trieb, unterließ er es doch nicht, zu zeichnen und Reliefs zu verfertigen, eine Beschäftigung, die mehr als andere seinem Sinn entsprach. Sein Vater Piero, der dieses sah und die Hoheit seines Geistes erkannte, nahm eines Tages eine Anzahl seiner Zeichnungen und brachte sie seinem Freunde Andrea del Verrochio mit der dringenden Bitte, ihm zu sagen, ob Leonardo, wenn er sich der Zeichenkunst widme, es darin zu etwas bringen könne.

Andrea erstaunte über die außerordentlichen Anfänge des Knaben und ermunterte Piero, ihn diesen Beruf wählen zu lassen, worauf jener den Leonardo in die Werkstatt des Andrea sandte. Der Knabe trat hier mit großer Begeisterung ein und übte nun nicht nur einen Beruf, sondern alle, die in das Gebiet der Zeichenkunst gehören. Er hatte einen so glücklichen und wunderbaren Verstand, daß er ein trefflicher Geometer wurde, der nicht nur als Bildhauer arbeitete, sehr jung schon einige lachende weibliche Köpfe aus Ton formte, die in Gips vervielfältigt wurden, und ebenso einige Kinderköpfe, die von Meisterhand gebildet zu sein schienen, sondern auch in der Baukunst viele Zeichnungen zu Grundrissen und Gebäuden entwarf.

Trotz seiner Jugend war er der erste, der Vorschläge machte, um den Arnofluß in einen Kanal von Florenz bis Pisa zu fassen. Ebenso fertigte er Zeichnungen zu Mühlen, Walkmühlen und anderen Maschinen an, die durch Wasser getrieben werden, und da er die Malerei zu seinem eigentlichen Beruf wählte, übte er sich viel im Zeichnen nach der Natur. Bisweilen formte er Modelle verschiedener Figuren in Erde, legte darüber weiche Lappen, in Gips getaucht, und bemühte sich mit äußerster Geduld, sie auf ganz feine oder schon gebrauchte Leinwand nachzuzeichnen, indem er sie schwarz und weiß mit der Spitze des Pinsels bewunderungswürdig ausführte. Auf Papier zeichnete er so fleißig und sauber, daß keiner ihn hierin je an Zartheit erreicht hat.

Gott hatte über diesen Geist eine solche Anmut ausgegossen, verbunden mit einer außerordentlichen Darstellungsgabe und einem klaren Verstand, dem sein stets zuverlässiges Gedächtnis überall zu Hilfe kam. Er konnte in Zeichnungen seine Gedanken so deutlich ausdrücken, daß er imstande war, jeden noch so starken Geist durch seine Reden zu besiegen und durch seine Gründe zu verwirren. Täglich verfertigte er Modelle und Zeichnungen, um zu zeigen, wie man mit Leichtigkeit Berge abtragen und durchbohren könne, um von einer Ebene zur anderen zu gelangen; wie mit Hebebäumen, Haspen und Schrauben große Lasten zu heben und zu ziehen seien, in welcher Weise man Seehäfen ausräumen und durch Pumpen Wasser aus den Tiefen heraufholen könne.

Solche schwierigen Dinge erdachte sein Geist ohne Unterlaß, und es gibt von diesen Gedanken und Bemühungen eine Menge Zeichnungen. Handschriften mit Zeichnungen Leonardos sind noch zahlreich erhalten und ich selbst habe nicht wenige gesehen. Außerdem verlor er viel Zeit damit, daß er geordnete Schnurgeflechte zeichnete, worin man den Faden von einem Ende bis zum andern verfolgen konnte, bis er eine völlig kreisförmige Figur beschrieb. Eine sehr schwierige und schöne Zeichnung dieser Art ist in Kupfer gestochen, in deren Mitte man die Worte liest: LEONARDI VINCI ACADEMIA.

Unter diesen Zeichnungen und Modellen war eins, mit dem er mehrfach den zahlreichen sachverständigen Bürgern, die damals Florenz regierten, zeigte, daß er den Tempel San Giovanni hochheben und die Freitreppen unterschieben könne, ohne ihn zu beschädigen. Er zeigte dies alles mit so viel Überredungskunst auf, daß man erst, wenn er fortgegangen war, einsah wie unmöglich dieses Unterfangen wäre.

Leonardos Charakter

In der Unterhaltung war Leonardo so angenehm, daß alle Menschen sich zu ihm hingezogen fühlten. Obgleich er eigentlich fast nichts besaß und wenig arbeitete, hielt er sich doch immer Diener und Pferde, an denen er eine große Freude hatte. Ebenso behandelte er alle anderen Tiere mit großer Liebe und Geduld. Oftmals, wenn er an einen Platz kam, wo man Vögel verkaufte, nahm er sie eigenhändig aus ihrem Käfig, zahlte den verlangten Preis und ließ sie dann fliegen, um ihnen die verlorene Freiheit wiederzugeben. Deshalb war die Natur ihm so freundlich, daß bei allem, worauf er Herz und Sinn auch wandte, ihm kein anderer an Bestimmtheit, Lebendigkeit, Güte, Lieblichkeit und Anmut gleichkam.

Leonardo begann viel aus Liebe zur Kunst, beendete aber fast nie etwas, denn es schien ihm, die Hand könne nie zu der Vollkommenheit in der Kunst gelangen, die seinem Geist vorschwebte. Seine Einfälle waren so vielfältig, daß er auch über Naturvorgänge nachdachte, sich bemühte, die Beschaffenheit der Pflanzen kennenzulernen, und die Bewegung des Himmels, den Lauf des Mondes und der Sonne beobachtete. Daher bildete sich in seinem Geist eine so häretische Einstellung, daß er sich keiner Religion mehr näherte, da er es wohl mehr schätzte, Philosoph als Christ zu sein.

Leonardos Gemälde bei Verrocchio

Er kam, wie gesagt, in seiner Kindheit zu Andrea del Verrochio in die Lehre. Dieser arbeitete an einer Tafel der Taufe Christi, und Leonardo malte darin einen Engel, der einige Gewänder hält. Trotz seiner Jugend führte er diese Gestalt so vollendet aus, daß sein Engel die Figuren des Andrea bei weitem übertraf. Dies war der Grund dafür, daß der Meister keine Farben mehr anrühren wollte, voll Zorn, daß ein Kind mehr verstehe als er.

Danach wurde Leonardo beauftragt den Sündenfall im Paradies zu zeichnen, einen Karton, der für einen Türvorhang in Gold und Seide bestimmt war, der in Flandern für den König von Portugal gewebt werden sollte. In diesem Karton führte Leonardo in Grisaille, mit Lichtern in Bleiweiß, eine Wiese aus, die endlos viele Arten von Gewächsen enthielt und einige Tiere, alles mit so viel Genauigkeit und Natürlichkeit vollendet, daß man wahrlich sagen darf, kein anderer gottbegnadeter Künstler in der Welt hätte es eben so machen können. Da gibt es auch einen Feigenbaum, mit Blättern und Zweigen m schönster Verkürzung und liebevoller Ausführung, so daß man in Verwunderung gerät über die unendliche Geduld, die sich hier kundtut. Da gibt es ferner eine Palme, deren Fächerkrone mit so großer Kunst abschattiert und gerundet ist, daß nur Leonardos Geduld es so fertigbringen konnten. Dieser Karton wurde übrigens nie in Weberei ausgeführt und er befindet sich jetzt In der vom Glück begünstigten Sammlung des erlauchten Ottaviano de`Medici, dem er vor kurzem von Leonardos Onkel geschenkt worden ist.

Taufe Christi – Andrea del Verrocchio
Taufe Christi, um 1472-1475, Andrea del Verroccchio

Das Haupt der Medusa

Man erzählt: eines Tages besuchte den Ser Piero da Vinci in seinem Landhaus einer seiner Bauern, brachte ihm einen von ihm selbst aus einem Feigenbaum des Gütchens gearbeiteten runden Schild und bat ihn, in Florenz irgend etwas darauf malen zu lassen. Piero tat es gerne, weil der Bauer im Vogel- und Fischfang viel Übung hatte und er sich oftmals in diesen Dingen seiner Hilfe bediente. Er ließ den Schild nach Florenz bringen, gab ihn Leonardo, ohne zu sagen, wem er gehörte, damit er etwas darauf male.

Dieser nahm den Schild eines Tages vor, sah, daß er krumm, schlecht und plump gearbeitet war, bog ihn am Feuer zurecht und ließ endlich durch einen Drechsler aus diesem ungeschickten Werk ein feines und gleichmäßiges formen. Darauf grundierte er ihn mit Gips, bereitete ihn nach seiner Weise zu und fing an, darüber nachzudenken, was er wohl darauf malen könne, um den, der sich ihm entgegenstellte, zu erschrecken und dieselbe Wirkung hervorzubringen wie einst das Haupt der Medusa.

Zu diesem Zweck brachte er in sein Zimmer, das er allein betrat, Eidechsen, Grillen, Schlangen, Schmetterlinge, Heuschrecken, Fledermäuse und andere seltsame Tiere dieser Art und schuf aus diesem wunderlichen Haufen durch verschiedenartige Zusammenstellungen ein gräßliches und erschreckliches Untier. Aus dem geöffneten Rachen sprühte giftiger Atem, Feuer aus den Augen und Rauch aus den Nüstern, während es aus einem dunkeln, zerborstenen Felsen hervorkam, so daß es wirklich ungeheuerlich und schrecklich erschien. Bei seinem übergroßen Eifer für die Arbeit hatte er gar nicht bemerkt, welchen unerträglichen Gestank die inzwischen verstorbenen Tiere im Zimmer verbreiteten.

Als das Werk vollendet war, um das sich weder der Bauer noch der Vater mehr gekümmert hatten, forderte Leonardo diesen auf, den Schild gelegentlich abholen zu lassen, er seinerseits sei damit fertig. Ser Piero begab sich deshalb eines Morgens zu der Wohnung des Sohnes und klopfte an die Tür. Leonardo öffnete und bat ihn, ein wenig zu warten. Er eilte ins Zimmer zurück, stellte den Schild auf die Staffelei in rechtes Licht, ließ durch das Fenster nur einen matten Schein hereinfallen und rief den Vater, um das Werk zu besichtigen. Ser Piero dachte im ersten Augenblick nicht an Derartiges, und da er nicht glaubte, den Schild, sondern ein gemaltes Untier vor Augen zu haben, fuhr er unwillkürlich zurück. Leonardo aber hielt ihn und sagte: »Das Werk ist brauchbar für den Zweck, für den es gearbeitet wurde. Nehmt es und tragt es fort, das ist die Wirkung, die man von einem Kunstwerk erwartet.«

Dem Vater erschien die Sache mehr als wunderbar, er lobte den launigen Einfall, kaufte, ohne etwas zu sagen, einen anderen Schild, worauf ein von einem Pfeil durchbohrtes Herz gemalt war, und gab ihn dem Bauern, der sich ihm dafür zeitlebens verpflichtet fühlte. Den Schild Leonardos dagegen verkaufte er für hundert Dukaten an Kaufleute in Florenz, durch die dieser bald in den Besitz des Herzogs von Mailand gelangte, der dreihundert Dukaten dafür bezahlte.

Madonnenbild

Danach malte Leonardo ein ganz hervorragendes Madonnenbild, das später in den Besitz von Papst Clemens VII. gelangte. Unter anderem enthielt dieses Bild eine mit Wasser gefüllte Glasvase und Blumen darin, ein Wunderwerk an Treue, die Tauperlen auf den Blumenblättern waren so natürlich wiedergegeben, daß sie wirklicher erschienen als in der Wirklichkeit.

Zeichnung eines Neptun

Für seinen nahen Freund, Antonio Segni, zeichnete er auf einem Folioblatt einen Neptun, der zu leben schien, so sorgfältig war er ausgeführt. Man sah das aufgewühlte Meer, Neptuns Wagen von Seepferden gezogen, umgeben von Wassergeistern, Ungetümen und Winden; die Töpfe von einigen Meeresgöttern sind wundervoll gezeichnet. Antomo Segnis Sohn, Fabio, machte diese Zeichnung dem Messer Giovanni Gaddi zum Geschenk, mit folgendem Epigramm:

Vergil und Homer, sie beide stellten Neptun dar,
Wie er die Seepferde lenkt durch die tosenden Wogen.
Doch was die Poeten im Geist nur gesehn, das sah da Vinci
Mit eigenen Augen; er hat sie fürwahr übertroffen.

Leonardo da Vinci – Zeichnung eines Neptuns mit Seepferden
Zeichnung eines Neptun, Leonardo da Vinci zugeschrieben, um 1504. Diese Zeichnung soll sich auf Vasaris Beschreibung beziehen

Ölgemälde des Hauptes der Medusa

Auch kam Leonardo der phantastische Gedanke, als Ölbild den Kopf der Medusa mit einer Frisur von ineinander geschlungenen Schlangen zu malen, die seltsamste und wunderlichste Erfindung, die man sich nur denken kann. Da das Werk aber Zeit erforderte, ließ er es, wie so viele andere Dinge, unvollendet liegen. Es gehört zu den herrlichen Schätzen im Palast des Herzogs Cosimo,

Johannes der Täufer

zusammen mit der Halbfigur eines Engels, dessen Arm erhoben und von der Schulter bis zum Ellbogen verkürzt gezeichnet ist, so daß er nach vorn kommt, während die Hand des anderen Armes auf der Brust liegt.

Leonardos Maltechnik des Sfumato

Wunderbar ist, wie dieses Genie, das das Bestreben hatte, die Gegenstände, die es schuf, plastisch hervortreten zu lassen, so mit den dunklen Schatten ging, um den Grundton der noch dunkleren herauszufinden, wie er nach einem Schwarz suchte, das schwärzer war als die übrigen und zu deren Schattierung geeignet wäre und durch das die Lichter noch glänzender erschienen. Endlich entdeckte er jene ganz dunklen Tinten, in denen gar kein Licht mehr ist, besser geeignet, die Nacht als den schwächsten Schein des Tageslichtes nachzubilden. Dies alles aber geschah, um den Gegenständen mehr Rundung zu geben und die Kunst zur Grenze und Vollendung zu führen.

Leonardos Charakterzeichnungen

Ein besonderes Vergnügen machte es ihm, wenn er Menschen mit ungewöhnlichen Gesichtszügen, Bärten oder Haarschmuck begegnete. Er hätte solchen den ganzen Tag nachgehen können, und ihre Gestalt prägte sich ihm so ein, daß er sie zu Hause zeichnete, als ob sie vor ihm ständen. In dieser Weise hatte er viele männliche und weibliche Köpfe ausgeführt. Ich selbst besitze in meiner oft zitierten Sammlung einige Federzeichnungen von seiner Hand. Von dieser Art war auch das Portrait des Amerigo Vespuci, ein herrlicher Greisenkopf.

Eine Kohlezeichnung und auch das Bildnis des Zigeunerhauptmanns Scaramuccia, später dann im Besitz des Messer Donato Valdambrini, der es aus dem Nachlass Gambullaris erhielt.

Eine Tafel mit der Anbetung der Könige wurde von ihm angefangen; sie enthält viel Schönes, besonders an Köpfen, blieb aber unvollendet, wie seine anderen Arbeiten auch.

Leonardo als Musiker

Im Jahre 1494 war Giovan Galeazzo, Herzog von Mailand, gestorben, und Lodovico Sforza wurde zum Nachfolger gewählt. Dieser fand großes Vergnügen am Lautenspiel, und Leonardo wurde deshalb ehrenvoll berufen. Er nahm ein Instrument mit, das er selbst fast ganz aus Silber in Form eines Pferdekopfes verfertigt hatte, eine seltsame und neue Gestalt, berechnet, dem Klang mehr Stärke und Wohllaut zu geben. Dadurch übertraf er alle Musiker, die nach Mailand gekommen waren, um dort zu spielen. Außerdem war er zu seiner Zeit der beste Improvisator im Reimen. Der Herzog, durch die wunderbaren Gaben Leonardos entzückt, verliebte sich in seine Talente so sehr, daß es fast unglaublich war.

Geburt Christi

Er bat ihn, eine Altartafel zu malen, eine Geburt Christi, die als Geschenk Lodovicos an den Kaiser gesandt wurde.

Das Abendmahl

Das Abendmahl – Leonardo da Vinci
Das Abendmahl, Leonardo da Vinci, um 1494-1498

Für die Dominikanermönche in Santa Maria delle Grazie in Mailand schuf er noch ein Abendmahl von seltener und wunderbarer Trefflichkeit. Den Köpfen der Apostel gab er so viel Majestät und Schönheit, daß er das Haupt des Heilandes unausgeführt ließ, überzeugt, er vermöge ihm nicht jene himmlische Göttlichkeit zu verleihen, die für ein Bild Christi erforderlich sei. Das Werk verblieb so, als ob es vollendet wäre, und ist immerdar von den Mailändern wie von den Fremden hochgepriesen worden.

Leonardo war darin aufs beste gelungen, den Argwohn auszudrücken, der die Herzen der Apostel erfaßt hat, die wissen möchten, wer ihren Meister verraten hat. Aus den Gesichtern aller spricht Liebe, Furcht und Zorn, aber auch der Schmerz, daß sie die Seele Christi nicht verstehen, und dies ist ebenso wunderbar wie der Trotz, Haß und Verrat, den man an Judas erkennt, überdies sind die geringsten Einzelheiten des ganzen Werkes mit unglaublicher Sorgfalt gearbeitet, sogar das Gewebe des Tischtuches ist so wiedergegeben, wie man es in feinstem Leinenzeug nicht besser sehen könnte.

Man erzählt, der Prior des Klosters habe Leonardo sehr ungestüm gedrängt, das Werk zu vollenden. Ihm schien es seltsam, den Künstler bisweilen einen halben Tag in Betrachtung verloren zu sehen. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn er gleich Arbeitern, die den Garten umhacken, den Pinsel niemals aus der Hand gelegt hätte. Dies aber genügte ihm nicht. Er beschwerte sich auch bei dem Herzog und drängte ihn so lange, bis dieser sich gezwungen sah, Leonardo rufen zu lassen und ihn freundlichst zur Arbeit anzuspornen, wobei er ihm würdig versicherte, er tue dies nur auf die Zudringlichkeit des Priors. Leonardo kannte den klaren Verstand und den Takt des Fürsten, deshalb entschloss er sich, mit ihm ausführlich über die Sache zu sprechen, was er bei dem Prior nie getan hätte. Er äußerte sich weitläufig über die Kunst und machte ihm verständlich, daß erhabene Geister bisweilen am meisten schaffen, wenn sie am wenigsten arbeiten, nämlich in der Zeit, wo sie erfinden und vollkommene Ideen ausbilden, die dann der Verstand erfaßt und die Hände ausdrücken und formen.

Zwei Köpfe, fügte er hinzu, fehlten ihm noch: der des Erlösers, nach dem er auf Erden nicht suchen wolle und der, wie er glaube, seiner Phantasie niemals in jener Schönheit und himmlischen Anmut vorschweben könne, die der Mensch gewordenen Gottheit entspreche; der andere, über den er nachdenke, sei der des Judas. Ihm scheine unmöglich, passende Gesichtszüge für jenen Jünger zu finden, dessen trotziger Geist nach so zahlreichen empfangenen Wohltaten zu dem Entschluß fähig gewesen wäre, seinen Meister, den Schöpfer der Welt, zu verraten. Nach diesem jedoch wolle er suchen, und wenn er keinen anderen finde, so bliebe ihm immer noch der lästige und zudringliche Prior. Dies brachte den Herzog sehr zum Lachen, und er gab Leonardo tausendmal recht. Der arme Prior aber, in Verwirrung geraten, beschäftigte sich fortan mit seinen Gartenarbeiten und ließ den Künstler in Frieden; dieser führte den Kopf des Judas so trefflich zu Ende, daß er das wahre Bild des Verrats und der Unmenschlichkeit ist; das Haupt Christi dagegen blieb unvollendet.

Die Herrlichkeit dieses Gemäldes, die Zusammenstellung wie die fleißige Ausführung erweckten beim König von Frankreich den Wunsch, es in sein Reich bringen zu lassen. Er suchte auf alle Weise nach Baumeistern, die es mit Holzbalken und Eisen fest genug zu binden vermöchten, damit man es unbeschädigt fortbringen könne, der möglichen Kosten achtete er nicht, so groß war sein Verlangen danach. Weil es jedoch auf die Mauer gemalt war, verging schließlich seiner Majestät die Lust dazu, und es blieb in Mailand.

Porträt des Herzogs von Mailand und der Beatrice d'Este

Während er noch am Abendmahl arbeitete, portätierte er an der Stirnseite des gleichen Refektoriums wo eine Passion Christi im alten Stil ist, Herzog Ludovico und seinen erstgeborenen Sohn Massmiliano, und zur anderen Seite die Herzogin Beatrice mit ihrem jüngeren Sohn Francesco: Wunderbare Bildnisse.

Das Reiterstandbild für den Herzog von Mailand

Während er an diesem Werk arbeitete, machte Leonardo dem Herzog den Vorschlag, ein Pferd in Bronze von staunenerregender Größe zu verfertigen und darauf den verstorbenen Herzog zum Andenken darstellen zu lassen. Das Denkmal sollte den Vater des Herzogs, den Markgrafen Francesco Sforza, darstellen.Er begann und vollendete das Modell, aber in solcher Größe, daß es niemals ausgeführt werden konnte. Und wie oftmals. Neid die Menschen zu boshaftem Urteil bewegt, gab es verschiedene, die meinten, Leonardo habe es gleich anderen seiner Arbeiten begonnen, damit es nicht vollendet werde.

Seine Größe war Ursache, daß unglaubliche Schwierigkeiten entstanden, als es in einem Stück gegossen werden sollte, und man könnte wohl glauben, der Ausgang habe einigen Menschen jenen Gedanken eingegeben, weil sehr viele seiner Arbeiten nicht zum Schluß kamen. Doch wahrscheinlich wurde sein erhabener, herrlicher Geist durch allzu großes Streben gehindert, so daß sein Trachten, Trefflichkeit über Trefflichkeit und Vollkommenheit über Vollkommenheit zu erringen, die Schuld daran trug und, wie Petrarca sagt, »Verlangen hemmte das Werk«.

Wer das von Leonardo in Ton ausgeführte Modell jenes Denkmals betrachtete, gestand, nie etwas Schöneres und Stolzeres gesehen zu haben. Es erhielt sich, bis die Franzosen mit ihrem König Ludwig nach Mailand kamen und es zerstörten. Auch ein kleines, sehr vollkommenes Wachsmodell desselben Werkes ist verlorengegangen, zugleich mit einem Buch über die Anatomie der Pferde, das Leonardo zu eigenem Studium gearbeitet hatte.

Anatomische Studien

Mit noch größerer Sorgfalt beschäftigte er sich mit der Anatomie des Menschen. Ein Studium, bei dem er und Marcantonio della Torre sich gegenseitig unterstützten. Dieser Marcantonio, ein ausgezeichneter Philosoph, der damals in Pavia Vorlesungen hielt und darüber schrieb, war einer der ersten, wie ich hörte, der mit der Lehre des Galenus die medizinischen Fragen zu erläutern begann und Licht in die Anatomie brachten, die bis dahin im dichtesten Dunkel der Unwissenheit verharrte. Hierbei bediente er sich des Geistes, des Werkes und der Hand Leonardos.

Dieser füllte ein ganzes Buch mit Rötel- und Federzeichnungen nach menschlichen Körpern, die er zum Teil eigenhändig sezierte, Er zeichnete dabei alle Knochen, mit denen er dann der Reihe nach alle Sehnen verband und diese mit Muskeln bedeckte, zuerst mit den am Knochen haftenden, dann die alles zusammenhaltenden und schließlich die alle bewegenden. Und zu jedem Blatt schrieb er Erläuterungen in schlechter Schrift, die verkehrt mit der linken Hand geschrieben ist und die niemand, der keine Übung hat, versteht, weil sie nur im Spiegel gelesen wird.

Einen großen Teil dieser anatomischen Schriften des menschlichen Körpers besitzt Herr Francesco da Melzi ein mailändischer Edelmann; er war zur Zeit Leonardos ein Kind von seltener Schönheit und ihm sehr lieb; jetzt ist er ein schöner, liebenswürdiger Greis; diese Blätter bewahrte er wie teure Reliquien, zugleich mit dem Bildnis Leonardos glückseligen Andenkens. Wer jene Schriften aber liest, dem scheint es unglaublich, daß dieser göttliche Geist so trefflich zugleich über die Kunst und über Muskeln, Nerven, Adern und alles andere mit solcher Sachkenntnis sprechen konnte.

Buch von der Malerei

Einige andere Schriften Leonardos, wiederum mit der linken Hand verkehrt geschrieben, besitzt ein mailändischer Maler; sie handeln von der Malerei, der Zeichenkunst und den Farben. Vor einiger Zeit, als jener mich in Florenz besuchte, hatte er die Absicht, das genannte Buch drucken zu lassen, er nahm es mit nach Rom, um es dort herauszugeben; ich weiß nicht, was dann daraus geworden ist.

Leonardos mechanischer Löwe

Zu dieser Zeit kam der König von Frankreich nach Mailand, und auf seine Bitten, irgend etwas Wunderbares zu machen, schuf er einen Löwen, der einige Schritte gehen konnte und dann und wann die Brust öffnete, die voller Lilien war.

Salai

Während seines Mailänder Aufenthaltes nahm Leonardo einen Jüngling dieser Stadt, Salai, zu seinem Schüler. An dessen Grazie und Schönheit, besonders an seinem krausen Lockenhaar, fand Leonardo großes Gefallen. Er lehrte ihn viele Dinge in der Kunst, und manche Gemälde, die in Mailand Salai zugeschrieben werden, sind von Leonardo überarbeitet.

Der Karton zur Anna Selbdritt

Leonardo kehrte nach Florenz zurück. Dort erfuhr er, die Servitenbrüder hätten dem Filippino das Bild für den Hauptaltar der Nunziata übertragen, und äußerte: solch ein Werk würde er auch gern übernommen haben. Als Filippino dies hörte, zog dieser liebenswürdige Mensch sich von der Sache zurück, und die Mönche übertrugen Leonardo das Bild. Sie nahmen ihn ins Haus, gaben ihm den Unterhalt für sich und alle seine Angehörigen, was er lange Zeit geschehen ließ, ohne etwas anzufangen. Endlich aber verfertigte er einen Karton, worauf die Madonna, die heilige Anna und das Christuskind so schön abgebildet waren, daß nicht nur alle Künstler, sondern jeder sich zur Bewunderung verpflichtet fühlte, der sie anschaute. Zwei Tage lang sah man Männer und Frauen, jung und alt wie zu einem glänzenden Fest nach dem Zimmer wallfahren, um das Wunderwerk Leonardos zu sehen, dass alle ins staunen versetzte.

Denn in dem Gesicht der Madonna erkannte man all jene Einfalt und Lieblichkeit, welche der Mutter Gottes Anmut verleihen kann; wollte er doch in ihr die Bescheidenheit und Demut der Jungfrau darstellen, welche voll Freuden die Schönheit des Sohnes gewahrt; sie hält ihn zärtlich auf dem Schoß, die Augen sittsam niedergeschlagen, und blickt nach dem heiligen Johannes, der ein kleines Kind ist und mit einem Lämmchen spielt, und die heilige Anna lächelt, von Fröhlichkeit erfüllt, daß ihr irdisch Geschlecht ein himmlisches geworden; lauter Überlegungen, dem Verstand und Geiste Leonardos entsprechend. Dieser Karton kam später nach Frankreich, wie unten erzählt werden wird.

Ginevra de' Benci

Leonardo portraitierte die Ginevra d'Amerigo Benci, ein sehr schönes Werk.

Anna Selbdritt

Dann gab er den Mönchen ihre Bestellung zurück, die nun die Arbeit noch einmal dem Filippino übertrugen, der jedoch, vom Tod überrascht, sie nicht vollenden konnte.

Mona Lisa

Auch begann Leonardo für Francesco del Giocondo das Bildnis der Mona Lisa, seiner Frau, zu malen. Vier Jahre Mühe wandte er dabei auf, dann ließ er es unvollendet, und es befindet sich jetzt zu Fontainebleau im Besitz des Königs Franz von Frankreich.

Wer sehen wollte, wie weit es der Kunst möglich ist, die Natur nachzuahmen, der erkannte es an diesem schönen Kopfe. Alle kleinen Einzelheiten waren darin aufs feinste abgebildet, die Augen hatten Glanz und Feuchtigkeit, wie wir es im Leben sehen, ringsumher bemerkte man die rötlich-blauen Kreise und das Geäder, das man nur mit der größten Zartheit ausführen kann. Bei den Brauen sah man, wo sie am vollsten, wo sie am spärlichsten sind, wie sie aus den Poren der Haut hervorkommen und sich wölben, so natürlich, als es nur zu denken ist. An der Nase waren die feinen Öffnungen rosig und zart aufs treuste nachgebildet. Der Mund hatte, wo die Lippen sich schließen und das Rot mit der Farbe des Gesichts sich vereint, eine Vollkommenheit, daß er nicht wie gemalt, sondern wirklich wie Fleisch und Blut erschien. Wer die Halsgrube aufmerksam betrachtete, glaubte das Schlagen der Pulse zu sehen.

Kurz, man kann sagen, dieses Bild war in einer Weise ausgeführt, die jeden vorzüglichen Künstler und jeden, der es sah, erbeben machte. Mona Lisa war sehr schön, und Leonardo brauchte noch die Vorsicht, daß, während er malte, immer jemand zugegen sein musste, der sang, spielte und Scherze trieb, damit sie fröhlich bleiben und nicht ein trauriges Aussehen bekommen möchte, wie es häufig der Fall ist, wenn man sitzt, um sein Bildnis malen zu lassen. Über diesem Angesicht dagegen schwebt ein so liebliches Lächeln, daß es eher von himmlischer als von menschlicher Hand zu sein schien; und es galt für bewundernswert, weil es dem Leben völlig gleich war.

Leonardo malt die Mona Lisa – Cesare Maccari
Leonardo malt die Mona Lisa, 1863, Cesare Maccari, Maccari ließ sich von Vasaris Erzählung inspirieren

Schlacht von Anghiari

Durch die herrlichen Werke dieses göttlichen Meisters war sein Ruhm so gewachsen, daß jeder, der an der Kunst Freude hatte, ja ganz Florenz Verlangen trug, daß er daselbst irgend etwas zu seinem Gedenken hinterlassen möchte. Man sprach davon, ihm ein bedeutendes Werk zu übertragen, damit der Geist und die Anmut, die alle seine Arbeiten zeigten, der Stadt zur Zierde gereichen möchten. Die Gonfalonieri und ersten Bürger verhandelten untereinander, da in jener Zeit der große Ratssaal neu erbaut worden war. Man hatte ihn mit großer Schnelligkeit beendet und bestimmte nunmehr durch ein öffentliches Dekret, Leonardo solle daselbst ein schönes Bild malen. Piero Soderini, der damalige Gonfaloniere der Justiz, übergab ihm die Arbeit.

Um sie auszuführen, begann Leonardo in Santa Maria Novella, im Saal des Papstes, einen Karton, worin er die Geschichte von Niccolò Piccinino, Feldhauptmann des Herzogs Filippo von Mailand, darstellte. Er zeichnete darin einen Trupp Reiter, die um eine Fahne kämpfen, und dieses Werk wurde als meisterhaft anerkannt wegen der bewundernswerten Überlegung, mit der Leonardo diese stürmische Szene ordnete. Wut, Zorn und Rachsucht erkennt man in den Menschen ebenso wie in den Pferden. Zwei dieser Tiere sind mit den Vorderfüßen ineinander verschränkt und fallen sich mit den Zähnen an, wütend wie die um die Fahne kämpfenden Reiter.

Einer der Soldaten hat mit beiden Händen das Ende der Standarte gefaßt, treibt das Pferd zur Flucht, wirft mit den kraftvollen Schultern den Körper zurück, umklammert den Schaft der Fahne und sucht sie so gewaltsam den Händen von vier Kriegern zu entreißen, die sie verteidigen. Jeder hält sie mit einer Hand, in der anderen schwingen sie die Schwerter, um den Schaft abzuhauen, während ein alter Krieger mit rotem Barett mit einer Hand ebenfalls den Schaft ergriffen hat. Mit der anderen hebt er einen krummen Säbel in die Höhe und führt schreiend vor Wut den Streich, um den Soldaten die Hände abzuhauen, die zähnebleckend in wilder Stellung ihre Fahne zu verteidigen suchen. Außerdem sind auf der Erde zwischen den Füßen der Pferde noch zwei andere Krieger verkürzt gezeichnet: der eine liegt auf dem Boden, der andere hat sich über ihn geworfen, hebt den Arm hoch empor und setzt ihm mit gewaltiger Kraft den Dolch an die Kehle. Jener dagegen verteidigt sich mit Armen und Beinen, um dem Tod zu entgehen.

Es läßt sich kaum sagen, wie schön Leonardo die verschiedene Kleidung der Soldaten, den Helmschmuck und andere Zieraten gezeichnet und welche Meisterschaft er bei den Umrissen und der Gestaltung der Pferde gezeigt hat, denn besser als irgend sonst ein Meister wußte er diesen Tieren Wildheit, richtiges Muskelspiel und anmutige Schönheit zu verleihen.

Zur Ausführung seines Kartons hatte sich Leonardo ein ungemein kunstvolles Gerüst verfertigen lassen, das sich hob, wenn man es zusammenzog, und sich senkte, wenn man es auseinanderzog. Da er das Bild in Öl auf die Mauer malen wollte, machte er eine so dicke Mischung, um die Mauer damit zu leimen, daß sie im weiteren Verlauf beim Malen in diesem Saal derartig durchzuschlagen begann, daß er die Arbeit nach kurzer Zeit aufgab, weil er erkannte, daß sie zugrunde gehen würde.

Leonardos Einstellung zu Geld

Leonardo besaß einen hohen sinn und war großzügig in allem was er tat. Man erzählt sich er sei einmal zur Bank gegangen um dort die Provision abzuholen die ihm Pietro Soderini Monatlich auszahlen ließ. Als der Kassier ihm einige rollen Kupfermünzen geben wollte, wie er sie zurück und sagte, er sei kein Groschenmaler. Eine anderes Mal als ihm zu Ohren kam das jener soderini ihn den Betrugs verdächtige, das sammelte er Gelder von freunden und und brachte Soderini das Geld, doch der nahm es nicht an.

Leonardos kreative Torheiten

Leonardo ging mit Giuliano de' Medici nach Rom zur Zeit der Wahl Papst Leos, der sich viel mit Philosophie und mehr noch mit Alchimie beschäftigte. Dort verfertigte er einen Teig von Wachs und formte daraus, wenn er flüssig war, sehr zarte Tiere, die er mit Luft füllte; blies er hinein, so flogen sie, war die Luft heraus, so fielen sie zur Erde. Einer seltsamen Eidechse, die der Winzer von Belvedere fand, machte er Flügel aus der abgezogenen Haut anderer Eidechsen, die er mit Quecksilber füllte, so daß sie sich bewegten und zitterten, wenn sie lief. Dann machte er ihr Augen, Bart und Hörner, zähmte sie, tat sie in eine Schachtel und jagte damit alle seine Freunde in Furcht und in die Flucht. Oftmals ließ er die Därme eines Hammels so fein ausputzen, daß man sie in der hohlen Hand hätte halten können. Diese trug er in ein großes Zimmer, brachte in eine anstoßende Stube ein paar Schmiedeblasebälge, befestigte daran die Därme und blies sie auf, bis sie das ganze Zimmer einnahmen und man in eine Ecke flüchten musste. So zeigte er, wie sie allmählich durchsichtig und mit Luft erfüllt wurden, und während sie, anfangs auf einen kleinen Platz beschränkt, sich mehr und mehr im Raum ausbreiteten, verglich er sie mit dem Genie. Dergleichen Torheiten trieb er unzählige, beschäftigte sich mit Spiegeln und versuchte auf, die sonderbarste Weise Öle zum Malen und Firnisse zu finden, um die vollendeten Werke zu erhalten.

Madonna mit Kind

Für den Vorsteher der päpstlichen Kanzlei, Messer Baldassare Turini von Pescia, malte er mit unendlicher Feinheit und Kunst eine kleine Tafel, eine Madonna mit dem Kinde. Dieses Bild ist heute in sehr schlechtem Zustand, vielleicht weil die Tafel nicht gut zugerichtet war, vielleicht aber auch weil Leonardo ewig mit seinen Grundierungen und Farben herumexperimentierte.

Bild eines Knaben

Auf einem anderen Täfelchen malte er das Bild eines Knaben, ein wunderbar anmutiges Werk. Diese beiden Gemälde befinden sich jetzt im Besitz von Messer Giulio Turini in Pescia. Man erzählte sich, als er vom Papste den Auftrag erhalten hatte, ein Werk zu verfertigen, habe er sogleich angefangen, Öle und Kräuter zu einem Firnis zu destillieren; als der Papst Leo dies hörte, rief er aus: »O weh! dieser wird nichts zustande bringen, da er an das Ende denkt, ehe die Arbeit begonnen ist.«

Leonardo und Michelangelo

Zwischen Leonardo und Michelangelo herrschte große Abneigung, und der Wettbewerb zwischen beiden war schuld, daß Michelangelo Florenz verließ, wobei ihn der Herzog Giuliano entschuldigte, da er vom Papst wegen der Fassade von San Lorenzo berufen worden war. Als Leonardo dies hörte, ging er auch von dannen und begab sich nach Frankreich, wo der König mehrere Werke von ihm besaß und ihm sehr gewogen war.

Der Beauftragung der Anna Selbdritt durch den französischen König

Der König wünschte, Leonardo möchte den Karton von der heiligen Anna malen. Dieser hielt ihn wie gewöhnlich lange mit Worten hin.

Leonardos Lebensbeichte und Tod

Endlich, alt geworden, lag er viele Monate krank, und als der Tod ihm nahte, wollte er sich mit allem Fleiß in dem katholischen Ritus und der richtigen Lehre der heiligen christlichen Religion unterweisen lassen. Er beichtete reuevoll unter vielen Tränen, [indem er sich über katholische Glaubensdinge unterhielt und auf den rechten Weg zurückfand, bekehrte er sich unter vielen Tränen wieder zum christlichen Glauben. Darauf beichtete und bereute er,1550] und obwohl er nicht mehr auf den Füßen stehen konnte, ließ er sich doch, von den Armen seiner Freunde und Diener unterstützt, das heilige Sakrament außerhalb des Bettes reichen. Der König, der ihn oft und liebevoll besuchte, kam bald nachher zu ihm. Leonardo richtete sich ehrfurchtsvoll empor, um im Bett zu sitzen, schilderte ihm sein Übel mit allen Umständen und klagte, daß er gegen Gott und Menschen gefehlt habe, da er in der Kunst nichts getan hätte, wie seine Pflicht gewesen wäre. Diese Anstrengung rief einen stärkeren Anfall hervor, der der Vorbote des Todes war. Der König erhob sich und hielt ihm das Haupt, um ihm eine Hilfe und Gunst zur Erleichterung seines Übels zu erweisen. Da erkannte Leonardos göttlicher Geist, es könne ihm größere Ehre nicht widerfahren, und er verschied in den Armen des Königs im 75 Jahre seines Lebens.

Tod des Leonardo da Vinci – Jean Auguste Dominique Ingres
Der Tod des Leonardo da Vinci, 1818, Jean Auguste Dominique Ingres. Ingres ließ sich von Vasaris Erzählung inspirieren

Nachruf

Sein Tod verursachte allen, die ihn gekannt hatten, größte Betrübnis. Nie war der Malerei von einem Künstler mehr Ehre gemacht worden. Der Glanz seines schönen Angesichtes erheiterte jedes traurige Gemüt, und seine Rede konnte die hartnäckigste Meinung zu Ja und Nein bewegen. Jedes heftige Ungestüm wußte er durch die Kraft zurückzuhalten, die in ihm wohnte. Mit seiner Rechten bog er das Eisen eines Mauerrings oder eines Pferdehufs, als ob sie Blei wären. Mit natürlicher Freigebigkeit bot er seinen Freunden Aufnahme und Bewirtung, gleichviel ob sie arm oder reich waren, wenn nur Geist und Tugend sie zierten. Das unbedeutendste, schmuckloseste Zimmer verschönte und verherrlichte er durch jede seiner Handlungen. Und wie die Stadt Florenz durch die Geburt dieses Künstlers eine große Gabe empfing, erlitt sie durch seinen Tod einen mehr als herben Verlust. In der Kunst der Ölmalerei wurde von ihm eine gewisse Schattierung erfunden, durch die die neueren Künstler ihren Gestalten große Kraft und Rundung geben. Was er in der Bildhauerei vermochte, zeigte er an den drei Bronzefiguren über der nördlichen Tür von San Giovanni. Sie wurden von Giovan Francesco Rustici gegossen, aber nach Angabe Leonardos entworfen und sind in Zeichnung und Ausführung das schönste Gußwerk, das in neuerer Zeit gesehen wurde. Leonardo danken wir die Anatomie der Pferde und die noch viel vollkommenere des menschlichen Körpers. Und obgleich er mehr durch Worte als durch Taten gewirkt hat, wird um seiner vielen göttlichen Vorzüge willen sein Name und sein Ruf niemals verlöschen.

So wurde zu seinem Lobpreis von Messer Giovan Batista Strozzi Folgendes geschrieben:

Er ganz allein besiegte alle andern,
Er siegte über Phidias und Apelles
Und ihre Heldenschar von Epigonen.

Nobody is perfect - das gilt auch für nicofranz.art!

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