La belle Ferroniere – Keyvisual

La Belle Ferronière

La Belle Ferronière ist ein Gemälde von Leonardo da Vinci, das er zwischen 1490 und 1499 in Mailand gemalt hat. La Belle (frz. „die Schöne“) trägt ein Ferronière, ein schmales Stirnband mit einem daran befestigten Juwel, das mittig auf der Stirn getragen wird. Die Identität der Schönen ist ungeklärt, doch die Mehrheit der Kunsthistoriker hält es für ein Porträt der Mailänder Hofdame Lucrezia Crivelli. Das Porträt befindet sich heute im Pariser Louvre.

Was schön und sterblich ist, vergeht und hat keine Dauer.

Leonardo da Vinci
La Belle Ferroniere – Leonardo da Vinci

Leonardo da Vincis Gemälde können nicht ohne Untersuchung der Bildgeometrie verstanden werden

I

Das Gemälde enthält zahlreiche Verweise auf die klassische Geometrie. Sie dienen der Verdeutlichung der Bildintention

II

Die Höhe der Dame entspricht der Bildbreite. Es entsteht ein Quadrat. Die Mittelsenkrechte des Quadrats schneidet das linke Auge. Die Mittelhorizontale tangiert das oberste der sechs Bänder am Kleid der Belle Ferroniere

III

Wird der goldene Schnitt der Bildhöhe erneut im goldenen Schnitt geteilt (stetige Teilung), durchläuft er das Juwel des Stirnbands. Die Konstruktion entspricht der der Mona Lisa, wo stattdessen ihr linkes Auge betont wird

IV

Die Anordnung der Linien im linken unteren Quadrat erinnert an die Darstellung von Kreuzigungen

V

Die Knotenpunkte der Bänder bilden rechts ein gleichseitiges Dreieck von 120°. Die Basis liegt im goldenen Schnitt der Höhe des umgebenden Quadrats (orange Linie). Spitze dieses Dreiecks, Mittelscheitel der Haare und Mittelpunkt des linken unteren Quadrats bilden ein Dreieck mit den symbolischen Innenwinkeln 45°, 60° und 75° (gelbes Dreieck)

VI

Das namensgebende Ferroniere selbst ist in ein System aus geometrischen Abhängigkeiten eingebettet, die an eine astronomische Skizze erinnern (Mousover)

VII
x

La Belle Ferronière

Leonardo da Vinci
um 1490-1499
Öl auf Holz (Walnuss)
45 x 63cm
Musée du Louvre, Paris

Wer war die Belle Ferroniere?

Die Quellenlage zu dem Gemälde ist sehr vage, und so gilt die Identität der jungen Frau bis heute als ungeklärt. In der Leonardo Forschung werden zwei, sich gegenseitig auschließende, Theorien diskutiert. Die einen sagen, das Gemälde ist zwischen 1490 und 1499 entstanden und zeigt eine Dame des Mailänder Hofes. Diese Ansicht vertritt unter anderem der Louvre. Die anderen halten es für ein Werk aus Leonardos letzten Lebensjahren, als er sich am französischen Hof in Amboise aufhielt (1516-1519). In dem Fall soll es eine Geliebte des französischen Königs zeigen.

Theorie I – Eine Dame aus Mailand

Diejenigen, die das Gemälde in Leonardos Mailänder Zeit einordnen, halten es mehrheitlich für das Bildnis der Lucrezia Crivelli, so auch die Kunsthistoriker des Louvre. Daneben wird diskutiert, ob das Gemälde eventuell auch eine andere Persönlichkeit des Mailänder Hofs darstellen könnte. Folgende Damen kommen in Frage.

Lucrezia Crivelli

Diese Theorie zur Identität der Belle Ferroniere ist heute die anerkannteste und wird vor allem von den Kunsthistorikern des Louvre vertreten. Lucrezia Crivellis Leben ist nur in groben Zügen bekannt. Viele ihrer Lebensdaten sind unbekannt.

Lucrezia kam als Hofdame der sechszehnjährigen Beatrice d' Este an den Mailänder Hof, als die einflussreiche Adelige 1491 den Mailänder Herzog Ludovico Sforza heiratete. Ludovico hielt sich zu der Zeit eine Mätresse, Cecilia Gallerani. In dieser Zeit wurde Cecilia als 'Dame mit dem Hermelin' von Leonardo porträtiert. Vier Monate nach der Hochzeit des Herzogs mit Beatrice gebar seine Mätresse ihm einen Sohn, Cesare Sforza (*1491). Danach wurde Cecilia vom Mailänder Hof verbannt, reichlich beschenkt und begütert, und mit einem adeligen Gefolgsmann Ludovicos verheiratet.

Die Ehe des machtbewussten Herzogs mit der gebildeten und kultivierten Beatrice d'Este galt als unglücklich, und so machte der Herzog ihre Hofdame Lucrezia Crivelli gegen 1495 zu seiner Mätresse. Seine Ehefrau versuchte den Herzog dazu zu bewegen auch Lucrezia zu verbannen, doch der Herzog weigerte sich.

Die Herzogin Beatrice d'Este gebar dem Ludovico Sforza zwei Söhne und starb im Januar 1497 tragisch bei der Geburt des dritten Kindes, ebenso ihr Neugeborenes. Beatrice wurde nur 22 Jahre alt.

Der Herzog gab sich aus politischen Gründen in großer Trauer. Doch gebar ihm Lucrezia nur zwei Monate nach dem Tod von Beatrice einen gemeinsamen Sohn, Giovanni Paolo I. Sforza. Der uneheliche Sohn wurde später legitimiert und erster Markgraf der Gemeinde Caravaggio. Ludovico Sforza wurde 1499 von den Franzosen aus Mailand vertrieben und entmachtet. Historiker des Louvre haben herausgefunden, dass Lucrezia zu diesem Zeitpunkt erneut vom Herzog schwanger war. Der Herzog konnte Mailand im Frühjahr 1500 kurzzeitig zurückerobern, wurde verraten und starb 1508 in französischer Gefangenschaft.

Lucrezia Crivelli lebte vermutlich ab 1500 in Rocca di Canneto in Mantua unter dem Schutz der älteren Schwester von Beatrice, Isabella d’Este.

Leonardo könnte mit Lucrezia Crivelli eine weitere Mätresse des Herzogs porträtiert haben, wie er es zuvor auch bei Cecilia Gallerani tat (die 'Dame mit dem Hermelin'). Ein Gedicht des Antonio Tebaldeo, in dem er ein Gemälde preist, das Leonardo da Vinci von einer Lucrezia gemalt haben soll, dient häufig als Beleg der These. Es kann am Ende dieser Seite gelesen werden. Tebaldeo war der Erzieher der Isabella d’Este, Herzogin von Mantua und die Schwägerin des Mailänder Herzogs. Er war so sicherlich informiert über Neuigkeiten aus Mailand, auch darüber, dass Leonardo ein Porträt der Lucrezia Crivelli anfertigte.

Beatrice d’Este

Sie war die jung verstorbene Ehefrau Ludovico Sforzas, Mutter zweier seiner Söhne und Herzogin von Mailand. Sie war außerdem die jüngere Schwester der einflussreichen Herzogin von Mantua, der Isabella d’Este.

Es liegt nahe zu vermuten, dass der Mailänder Herzog ein Porträt seiner Ehefrau bei Leonardo in Auftrag gab. Allerdings galt die Ehe als unglücklich:

  • Beatrice d'Este war hochadeliger Herkunft und sehr kultiviert erzogen worden, wohingegen Ludovicos militärisch geprägte Familie erst zwei Generationen zuvor in den Adelsstand erhoben wurde. Ludovicos Leben als Herrscher eines bedeutenden Herzogtums war daher sehr auf Machterhalt ausgerichtet
  • zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit war Ludovicos Mätresse Cecilia Gallerani von ihm schwanger
  • er hatte während der Ehe zahlreiche Liebschaften und mehrere uneheliche Nachkommen
  • vier Jahre nach der Hochzeit nahm er sich mit Lucrezia Crivelli eine Hofdame seiner Frau zu Mätresse. Sie war von ihm schwanger, als seine Frau bei der Geburt ihres Kindes starb

Im Hinblick auf die unglückliche Ehe von Beatrice und Ludovico ist es unwahrscheinlich, dass der Herzog Leonardo mit einem Porträt von Beatrice beauftragte.

Sforza-Altar
Sforza Altar (Detail), Meister des Sforza Altars, 1494 (Entstehungsjahr anhand von Archiveinträgen der Mailänder Kirche Sant'Ambrogio ad Nemus gesichert)

Der Mailänder Herzog Ludovico Sforza links, auf der rechten Seite seine Ehefrau Beatrice d'Este. Das Kleid der Beatrice zeigt dieselben hängenden Bänder, wie das der Belle Ferroniere. Das spricht sehr dafür, dass die Belle Ferroniere Lucrezia Crivelli war, die sich als ihre Hofdame ähnlich kleidete.
Politisch heikel: Links vorn muss das uneheliche Kind Cesare Sforza dargestellt sein (*1491), das der Herzog mit Cecilia Gallerani zeugte, der Dame mit dem Hermelin. Denn der zweite Sohn von Ludovico und Beatrice wurde erst ein Jahr nach Fertigstellung des Altarbildes geboren (*1495). Daher muss das für eine öffentliche Kirche bestimmte Gemälde für die hochadelige Beatrice d'Este zutiefst beleidigend gewesen sein. Der Herzog verlor einen Krieg gegen Frankreich und starb einen einsamen Tod in französischer Kerkerhaft

Cecilia Gallerani

Sie wurde bereits als 'Dame mit dem Hermelin' von Leonardo da Vinci porträtiert. Die polnische Fürstin Izabela Czartoryska erwarb das Porträt um 1800 und empfand eine große Ähnlichkeit zu dem Gemälde der Belle Ferroniere. So veranlasste sie auf der 'Dame mit dem Hermelin' die noch heute sichtbare Inschrift in der linken oberen Ecke:

LA BELE FERONIERE
LEONARD DAWINCI

(polnische Schreibweise). Dass Leonardo die Cecilia Gallerani zweimal porträtiert haben soll, gilt jedoch als unwahrscheinlich, zumal beide Porträts einander kaum ähneln.

Isabella d’Este

Sie war die Herzogin von Mantua und die ältere Schwester von Beatrice d’Este, der Frau des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza. Es existiert eine Porträtzeichnung, die sie zeigen soll und die Leonardo da Vinci zugeschrieben wird. Durch erhaltene Briefe ist gesichert, dass sie Leonardo mehrmals um ein Porträt bat. Sie galt als dessen Bewunderin und lieh sich schließlich von der Cecilia Gallerani das Gemälde „Dame mit dem Hermelin“, wie aus deren Briefwechseln hervorgeht.

Da sie sich nur selten in Mailand aufhielt, könnte Leonardo sie bei seinem längeren Aufenthalt in Mantua um 1500 porträtiert haben. Dafür spricht weiterhin, dass 1642 in einem Katalog der königlichen Sammlung Frankreichs ein Porträt der Herzogin von Mantua erwähnt wird, dass Leonardo da Vinci gemalt haben soll. Es könnte sich dabei aber auch um eine Verwechslung gehandelt haben.

Gegen die Identifizierung als Isabella d'Este spricht, dass die stolze Bewunderin Leonardos ihrem Umfeld sicher mitgeteilt hätte, wenn sie von Leonardo porträtiert worden wäre. Derartige Quellen sind jedoch nicht auffindbar.

Isabella von Aragón

Sie war die junge Frau eines Neffen von Ludovico Sforza, Gian Galeazzo Maria Sforza. Gian war der eigentliche rechtmäßige Herzog von Mailand, aufgrund seines jungen Alters übte jedoch sein Onkel Ludovico die Regentschaft für ihn aus. Volljährig geworden und auf Drängen von Isabella von Aragón machte Gian Thronansprüche geltend und starb 1494 überraschend und unter ungeklärten Umständen. Er wurde nur 25 Jahre alt. Der Thron von Mailand hätte daraufhin an Gians vierjährigen Sohn gehen sollen, doch konnte sich Ludovico weiterhin als Herzog behaupten.

Angesichts der politischen Umstände am Hof Ludovico Sforzas ist es zweifelhaft, dass Leonardo die Isabella von Aragón hätte porträtieren sollen.

Theorie II – Mätresse des französischen Königs (Belle Ferroniere)

Einer zweiten – völlig gegensätzlichen – Theorie nach, soll das Gemälde nicht aus Leonardos Mailänder Zeit stammen, sondern in seinen letzten drei Lebensjahren entstanden sein, als er sich am Hof des französischen Königs aufhielt. Demnach soll es sich um eine der vielen Mätressen des französischen Königs Franz I. handeln.

Die Bezeichnung des Poträts "La Belle Ferroniere" setzt sich zusammen aus 'La Belle' (frz. 'Die Schöne') und 'Ferroniere'. Als Ferroniere bezeichnet man ein schmales Stirnband mit einem eingefasstem Juwel, der mittig auf der Stirn getragen wird. Diese Art Kopfschmuck – schmale Bänder besetzt mit Edelsteinen – war typisch für die italienische Renaissance. Häufig ist zu lesen, dass der Kopfschmuck Ferroniere zuerst auf diesem Gemälde zu sehen war und seinen Namen der Dargestellten verdankt, einer Madame Ferron, bzw. einer Ferroniere.

Was ist eine Ferroniere?

Ferroniere leitet sich ab vom frz. Wort „Fer“ für „Eisen“ und bezieht sich auf eine Frau, die es beruflich mit Eisen zu tun hat. So kann eine Ferroniere eine Schmiedin oder Eisenwarenhändlerin sein. Nach damaligen Verständnis bedeutete dies sicherlich Frau eines Schmiedes oder Eisenwarenhändlers.

Die Legende von der Madame Ferron

Der lüsterne König Franz I. soll sich um 1524 die junge Madame Ferron zur Mätresse genommen haben. Am Hof soll sie unter ihrem Spitznamen "La Belle Ferronière" bekannt gewesen sein. Ihr eifersüchtiger Ehemann, der Pariser Anwalt Jean Ferron (manchmal auch ein unbekannter Eisenwarenhändler, also Ferronier) soll darüber so erbost gewesen sein, dass er beschloss sich bitter zu rächen. Er ging in ein berüchtigtes Bordell, um sich dort vorsätzlich mit Syphilis anzustecken. Seine Frau steckte so den König an, der dadurch unfruchtbar wurde. Die Madame Ferron soll etwa sechs Jahre danach verstorben sein. Der König dagegen soll noch 23 Jahre gelitten haben, bis auch er 1547 starb.

Der Wahrheitsgehalt der Legende

Diese Legende wird oft herangezogen, um die Existenz einer historischen Belle Ferroniere zu beweisen und damit nahezulegen, dass Leonardo sie porträtierte. Das kann schon deswegen nicht wahr sein, weil Leonardo da Vinci bereits 1519 verstarb, die Affäre aber erst 1524 begonnen haben soll.

Die Legende geht zurück auf die Lebenserzählungen des französischen Adeligen Brantôme, ist jedoch keineswegs historisch. Vielmehr gehörte es zu Brantômes Lebenswandel möglichst skandalöse Klatschgeschichten über die europäischen Adelshäuser zu verbreiten. Die seichten Erzählungen wurden auch gedruckt und erfreuten sich großer Beliebtheit.

Dieselbe Legende wurde daneben auch von einem in Paris recht bekannten Arzt verbreitet. Louis Guyon seigneur de la Nauche war ebenso wie Brantôme für seine Klatsch- und Tratschgeschichten berühmt. Auch er verkaufte seine Bücher. Was verwundert, weil er es als Arzt auch über seine Lebzeiten hinaus zu Ruhm und Ansehen brachte. Er führte eine spezielle Kur ein und veröffentlichte eine Reihe von Fachbüchern. Später wurde er dafür sogar in den Adelsstand erhoben.

Beide Brantôme (um *1537), wie auch Louis Guyon (*1527) waren noch sehr jung als Franz I. 1547 starb. Brantôme war gerade erst ca. 10 Jahre alt geworden, Louis Guyon immerhin bereits 20. Beide können sicherlich nur vom Hörensagen den Tratsch am königlichen Hof mitbekommen haben, wenn ihre Geschichten nicht gar komplett ausgedacht waren. Es ist wichtig zu erwähnen, dass alle Geschichten über eine Syphilis Erkrankung von Franz I. auf diese beiden zurückgehen. Andere Quellen für eine diesbezügliche Erkrankung des Königs gibt es nicht.

Dass es sich bezüglich der ominösen Syphilis Erkrankung um eine Legende handeln muss, wird auch dadurch deutlich, dass Franz I. noch im hohen Alter Nachkommen zeugte (Nicolas d’Estouteville, *1545).

Gab es eine Mätresse Belle Ferroniere?

Es gibt keine offizielle Quelle, die eine Mätresse "Belle Ferroniere" erwähnt. Franz I. ging sehr öffentlich mit seinen Liebschaften um, und eine historische Belle Ferroniere wäre daher nicht verborgen geblieben. Eine Mätresse „Belle Ferroniere“ hat es wahrscheinlich nie gegeben.

Ursprung der Bezeichnung "La Belle Ferronière"

Obwohl die Legende der Madame Ferron sich nicht auf das Leonardo Gemälde bezieht, ist sie doch der Grund für den heutigen Namen des Gemäldes. Mit dem Gemälde "La Belle Ferroniere" war ursprünglich ein anderes Gemälde der königlichen Sammlung gemeint, dass sich auch heute noch unter dieser Bezeichnung im Louvre befindet (Louvre, INV 786).

Die Verwechslung durch den Maler Ingres

Der Ursprung der heutigen Bezeichnung des Leonardo Gemäldes als "La Belle Ferronière" geht zurück auf eine Verwechslung des Malers Ingres. Jean-Auguste-Dominique Ingres war ein berühmter Maler zur Zeit der französischen Revolution und ein großer Bewunderer Leonardos. Eine Kopie seines Gemäldes "Der Tod des Leonardo da Vinci" (1818) befindet sich heute in Leonardos ehemaligem Schlafzimmer in Schloß Cloux. Weitere bekannte Gemälde sind "Das türkische Bad" und zahlreiche Porträts Napoleons.

Ingres kannte die Legende der königlichen Mätresse Madame Ferron, die Brantôme und Louis Guyon über König Franz I. verbreiteten, denn sie war in Frankreichs Büchern noch immer sehr präsent.

Um 1802-1806 arbeitete der Maler Ingres zusammen mit dem Maler Lefèvre an einem Kupferstich zu Leonardos Porträt der Belle Ferroniere. Sie betitelten das Blatt irrtümlicherweise mit "La Belle Ferronière". Später behaupteten sie, sie hätten sich schlicht geirrt, doch es ist gut möglich, dass sie das bis dahin namenlose Leonardo Gemälde mit der Legende der Madame Ferron in Verbindung bringen wollten, um Leonardos Porträt der unbekannten Dame so mehr Aufmerksamkeit zu bescheren. Und genau dazu kam es.

Porträt einer Frau, fälschlicherweise als La Belle Ferronnière bezeichnet

Der Kupferstich verbreitete sich rasch, denn er wurde in zahlreichen Büchern jener Zeit abgebildet. Die Legende des betrogenenen Ehemannes, der seine Madame Ferron an den König verlor und sich aus Rache opfernd beide mit Syphillis zu Tode bringen wollte, passte gut zum Zeitgeist des nachrevolutionären Frankreichs und hatte mit Leonardos Belle Ferroniere ein sehr schönes Bild zu dieser Legende gefunden.

In der Folge gehörte das Gemälde Leonardos im frühen 19.Jh. zu den meistbesuchten Gemälden des Louvre. In Bezug auf den Louvre gehörten nun jedoch zwei "La Belle Ferronière" zur Ausstellung. Zum einen die ursprüngliche "La Belle Ferronière" eines unbekannten Malers und zum anderen die von Ingres irrtümlicherweise "La Belle Ferronière" genannte von Leonardo.

Das führte zu einiger Verwirrung beim Publikum und so wurde der Titel für Leonardos Gemälde festgelegt als "Portrait de femme, dit à tort La Belle Ferronnière (frz. 'Porträt einer Frau, fälschlicherweise als La Belle Ferronnière bezeichnet'). Das ist auch heute noch der offizielle Titel des Leonardo Gemäldes im Louvre.

Dennoch hat sich im allgemeinen die Bezeichnung La Belle Ferronière für das Leonardo Gemälde durchgesetzt. Das ursprüngliche "La Belle Ferroniere" Gemälde ist heute kaum noch bekannt.

Das Ferroniere

Der Irrtum von Ingres ist die Ursache dafür, dass ein schmales Stirnband mit einem daran befestigten Juwel, das mittig auf der Stirn getragen wird, nach diesem Gemälde als Ferroniere bezeichnet wird. Diese Art von Schmuck war keine Erfindung Leonardos, sondern zu seiner Zeit eine weit verbreitete Mode. Es kann auf zahlreichen Gemälden der Renaissance entdeckt werden.

Theorie III – Geliebte des französischen Königs (petite Bande)

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gemälde eine heute unbekannte Mätresse des französischen Königs zeigt. Franz I. war ein Frauenheld. Neben seiner Königin und seinen Mätressen hatte er zusätzlich noch einen Kreis junger Damen um sich, die als "petite bande" bezeichnet wurden (dt. kleine Bande). Auch bei ihnen lebte er seine erotischen Bedürfnisse aus. Es ist interessant, dass das französische 'bande' auch mit Streifen oder Bänder übersetzt werden kann, was die auffälligen Bänder der Belle Ferroniere an Kleid und Halskette erklären könnte.

Es kann daher vermutet werden, dass der König Leonardo da Vinci beauftragte, eine dieser Damen zu porträtieren. Die Datierung des Gemäldes würde dann in die letzten drei Lebensjahre Leonardos fallen, also 1516-1519.

Leonardo da Vinci – Belle Ferroniere (Detail), Saum des Kleides

Die goldenen Lilien am grünen Saum

Für einen französischen Bezug der Porträtierten sprächen die goldenen Wappenstickereien auf dem grünen Saum ihres Kleides. Die einzelnen Stickereien variieren in feinen Nuancen und können zum Teil als geschlitzte Lilien erkannt werden. Das wird besonders an der rechten unteren Ecke des Saums deutlich.

Die Lilie war das Wappen der französischen Könige. Daher zeigte die französische Nationalflagge bis zur französischen Revolution 1789 goldene Lilien auf weißem Grund.

Daneben stellt die Lilie auch einen direkten Bezug zu Leonardo da Vinci dar. Sie ist als 'Florentiner Lilie' bis heute das Stadtwappen von Florenz. Leonardo da Vinci ist in Florenz aufgewachsen und ausgebildet worden.

Fazit zur Identität der Belle Ferroniere

Es ist deutlich geworden, welche Schwierigkeiten es macht, die Identität der Schönen zu bestimmen.

Insgesamt am nachvollziehbarsten erscheint die Theorie, es handele sich um die letzte Mätresse des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza, Lucrezia Crivelli, der "Dame aus Mailand", wie sie der Schreiber Andrea de Beatis nennt. Auch im Hinblick auf das unten aufgeführte Gedicht des Antonio Tebaldeo scheint diese Theorie insgesamt plausibel. Diese Ansicht vertritt dann auch der Louvre als ausstellendes Museum.

Dass das Gemälde eine Mätresse des französischen Königs Franz I. namens "Belle Ferroniere" zeigen soll, erscheint dagegen bei genauerer historischer Betrachtung am unglaubwürdigsten.

Dass es sich jedoch um eine andere, heute unbekannte Mätresse aus dem Kreis der "petite bande" handelt, ist aufgrund der Bänder am Kleid, sowie der goldenen Lilien am Saum der Belle Ferroniere wiederum sehr plausibel.

Zwei sich ausschließende Theorien

Nach aktuellem Kenntnisstand gibt es also zwei wahrscheinliche Theorien, die sich jedoch gegenseitig ausschließen.

Das Gemälde ist nun entweder in Mailand zwischen 1490 und 1499 gemalt worden und zeigt Lucrezia Crivelli. Sie kam Ende 1490 im Gefolge von Beatrice d'Este an den Mailänder Hof, als diese den Herzog heiratete. Mit dem Einfall der Franzosen 1499 verlor der Mailänder Herzog seinen Hofstaat und Leonardo seinen Auftraggeber, d.h. spätestens zu diesem Zeitpunkt war das Porträt vollendet worden. Das erklärt auch, warum Leonardo das Bild einer 'Dame aus Mailand' besaß, als er 1517 von de Beatis besucht wurde. Er verwahrte es, da der eigentliche Besitzer Ludovico Sforza zunächst auf der Flucht und dann bis 1508 im Gefängnis war, wo er starb. Warum Leonardo das Gemälde dann nicht an Lucrezia Crivelli übergab, ist unbekannt.

Oder aber es handelt sich um das Porträt einer heute unbekannten Mätresse des Königs aus dem Kreis der 'petite bande', das am französischen Hof um 1516-1519 entstanden ist.

Es wurde gezeigt, dass beide Theorien nachvollziehbare Argumente haben, eine finale Einordnung aber nicht eindeutig möglich ist. Die große Anzahl der plausiblen Vermutungen zur Identität der Schönen lassen den Schluss zu, es wäre Leonardo da Vinci nicht darum gegangen, eine konkrete Person darzustellen. Denn im Gegensatz zur davor entstandenen 'Dame mit dem Hermelin' wurde die junge Frau gänzlich ohne eindeutig zuweisbare Attribute gemalt, die auch späteren Generationen noch bekannt sein können. Vielmehr scheint Leonardo bewusst ein Werk geschaffen zu haben, dass unabhängig von der Person der Dargestellten seine Magie entfalten soll. So ist letztlich alles was von der Belle Ferroniere bekannt ist, ihre Schönheit.

Entstehungszeit und Eigentümer

Das Gemälde ist vermutlich zwischen 1490 und 1519 entstanden. Zu dem Porträt sind keine Auftragsunterlagen, Notizen, Studien oder ähnliches bekannt.

Aus dem gleichen Holz

Hier und da ist zu lesen, dass das verwendete Walnussholz dasselbe sei, wie das der Dame mit dem Hermelin, und daher von Leonardo da Vinci in seiner Mailänder Zeit gemalt sein müsse. Doch konnte diese Behauptung zwischenzeitlich durch Materialforscher des Louvre widerlegt werden.

Der Reisebericht von Antonio de Beatis 1517

Als einzige vage Quelle, die das Gemälde mit Leonardo da Vinci in Verbindung bringt, wird der Reisebericht des Andrea de Beatis herangezogen. De Beatis war Schreiber im Gefolge des italienischen Kardinals Luigi d'Aragona und hatte 1517 die Gelegenheit die Werkstatt Leonardos am französischen Königshof in Cloux zu besuchen. Er berichtet dort von dem Gemälde einer Dame aus Mailand:

"Es gab auch ein Gemälde, auf dem eine gewisse Dame aus Mailand nach der Natur in Öl gemalt wurde, das sehr schön ist, aber meiner Meinung nach nicht so schön wie Signora Isabella Gualanda."

Die Bemerkung richtet sich an das zeitgenössische Publikum in Neapel. Isabella Gualanda war dort für ihre Schönheit berühmt. Der Kardinal Luigi d'Aragona kam ebenfalls aus der Stadt.

Es versteht sich von selbst, dass die knappe Erwähnung nicht zwingend die Belle Ferroniere meinen muss, doch ist es angesichts der wenigen zweifelsfrei echten Gemälde Leonardo da Vincis sehr wahrscheinlich, dass es sich bei der 'Dame aus Mailand' um dieses Porträt handelt (oder um ein weiteres, heute verschollenes Gemälde).

De Beatis war der letzte Augenzeuge, der von Leonardos Spätwerk berichtet. Seine Aussagen gelten als besonders plausibel, da er mit der 'Dame aus Florenz' (vermutlich die Mona Lisa), der Anna Selbdritt und Johannes der Täufer, explizit die letzten drei Gemälde Leonardos erwähnt, welche dieser in Amboise bei sich gehabt haben muss. Und dazu ein viertes, die „Dame aus Mailand“. Alle vier Gemälde befinden sich heute im Pariser Louvre.

In der königlichen Sammlung

Nach Leonardos Tod 1519 ging das Gemälde entweder direkt in den Besitz des französischen Königs und wurde Bestandteil der königlichen Sammlung im Schloss Fontainebleau, oder es wurde erst in späterer Zeit erworben. Genaueres ist wegen der schlechten Quellenlage unbekannt.

Das Werk wird dann ab 1642 erstmals in der Sammlung von Fontainebleau erwähnt.

  • 1642 veröffentlicht Pater Dan sein Werk "Schatzkammer der Wunder des Königshauses von Fontainebleau". Es werden dort vier Gemälde Leonardos aufgelistet, eines als "ein Porträt einer Herzogin von Mantua" (damit muss die Isabella d'Este gemeint sein). Von den bekannten Leonardo Porträts befanden sich nur die Mona Lisa und vermutlich die Belle Ferroniere in der Sammlung. Pater Dans Werk stärkt somit die Identifizierung der Belle Ferroniere als Herzogin von Mantua
  • 1651 nahm Raphaël Trichet du Fresne diese Bezeichnung in seiner Leonardo Biografie auf

1682 lässt Ludwig XIV. die königliche Sammlung zum Schloss Versailles überführen

  • 1683 verfasste der Maler Le Brun einen Katalog der königlichen Sammlung und bezeichnete das Gemälde dort nur noch als "Frauenporträt"
  • Diese Bezeichnung wird 1709 von Nicolas Bailly und 1752 von François Bernard Lépicié übernommen, die erneut Kataloge der Sammlung verfassen
  • 1784 wird das Gemälde dann vom Autor Durameau in einem weiteren Katalog als Bildnis der englischen Königin Anne Boleyn (1507-1536) erkannt, ohne Gründe für die Zuordnung zu nennen

Öffentliche Ausstellung im Pariser Louvre

Als eine Folge der französischen Revolution von 1789 geht die königliche Sammlung 1793 in den Besitz des französischen Staates über, der sie im neueröffneten Louvre Museum öffentlich ausstellt.

  • 1802-1806 fertigen die Maler Ingres und Lefèvre einen sich schnell verbreitenden Kupferstich an, der das Gemälde irrtümlicherweise als "La Belle Ferroniere" betitelt. Der Louvre bezeichnet das Gemälde fortan als "Porträt einer Frau, fälschlicherweise als La Belle Ferronnière bezeichnet"

Das Gemälde befindet sich heute im Saal 710 in der Grande Galerie des Louvre.

Bildkomposition

Über die Bildvorlage

Das Gemälde wird in der gängigen Leonardo Literatur meist angeschnitten dargestellt. Das ausstellende Louvre Museum in Paris zeigt das Gemälde auf seiner Website zwar vollständig und ohne Rahmen, doch leider mit einer perspektivischen Verzerrung. Aus dieser Fotografie wurden die fehlenden Bereiche für diese Analyse rekonstruiert. Dies ist durch einen leichten Farbunterschied an den Rändern der Mauer erkennbar.

Das Gemälde hat in der hier gezeigten Darstellung die originalen Proportionen von Breite und Höhe. Allerdings ist die ursprüngliche Höhe des Gemäldes nicht mit absoluter Gewissheit zu bestimmen, da das Porträt heute am oberen linken Rand leicht nach oben gewölbt ist. Für diese Analyse wurde der nach oben gewölbte Teil weggeschnitten, um ein rechtwinkliges Bild zu erhalten. Die Differenz ist so minimal (<1%), dass sie die geometrischen Beziehungen im Bezug auf die Bildhöhe nicht grundsätzlich verändert.

Bildbeschreibung

Eine junge Frau im Dreiviertelporträt. Sie befindet sich hinter einer Mauer. Ihre Hände sind verborgen. Hinter ihr ein unbestimmtes Dunkel. Der Blick streift den des Betrachters, und geht dann weit an diesem vorbei. Sie trägt ein rotes langärmeliges Kleid mit goldenen Säumen. Jeweils drei grüne Bänder wurden an ein weißes Band um ihre Schulter geknotet. Auf dem rechteckigen Halsausschnitt ihres Kleides wurde ein kunstvoll verzierter grüner Saum gesetzt.

Ihr eng anliegendes, im Mittelscheitel geteiltes Haar bedeckt ihre Ohren ganz und ist nach hinten zu einem Zopf gebunden. Auf ihrem Hinterkopf wurde ein rundes Haarnetz gelegt. Um den Hals trägt sie eine vierfach gelegte Kette aus abwechselnd schwarzen und weißen Gliedern. An der Kette ist ein Band befestigt, das an ihrem Dekolleté herunterhängt. Das Band ist von derselben Art, wie die an ihren Schultern. Ihre linke Wange reflektiert das Licht ihrer Schulter. Um die Stirn trägt sie ein sehr schmales schwarzes Stirnband, an dem ein Edelstein mittig befestigt wurde.

I Initiale Betrachtung

Die Kopfstücke der Bänder werden als transparente braune Ellipsen hervorgehoben.

Die Mittellinien
Die Mittelsenkrechte verläuft exakt durch das linke Auge der jungen Frau (rote Linie).Die horizontale Mittellinie tangiert den Saum ihrer linken und das obere Band ihrer rechten Schulter (rote Linie).

Der goldene Schnitt
Der vertikale goldene Schnitt schneidet ihr rechtes Auge und verläuft durch das Kopfstück des Bandes an ihrem Dekolleté (orange Linie). Der horizontale goldene Schnitt verläuft ebenso durch dieses Kopfstück. Ebenfalls tangiert er die zwei Kopfstücke der unteren Bänder ihrer linken Schulter (orange Linie).

Bezug zur Dame mit dem Hermelin
Die Betonung des goldenen Schnitts im Kopfstück des Bandes am Dekolleté erinnert sofort an den goldenen Schnitt im rechten und linken Auge des Hermelins in der Dame mit dem Hermelin. Nur ist er hier nicht auf der rechten, sondern auf der linken Seite angelegt, also spiegelbildlich. Die beiden Gemälde werden so miteinander in Bezug gesetzt.

Dame mit Hermelin - Goldener Schnitt
Leonardo da Vinci, Dame mit Hermelin (Ausschnitt). Der goldene Schnitt der Höhe (Minor) und Breite (Major) treffen sich im Kopf des Hermelins und schneiden dabei beide Augen (orange Linien). Die Mittelhalbierende in Rot. Die Mitte der beiden Linien wiederum in Gelb. Das rechte Ohr des Hermelins und seine beiden Augen bilden an den Linienschnittpunkten ein gleichschenkliges Dreieck mit den Innenwinkeln von 30°,30° und 120° (grüne Linien)

II Die vier Bildzonen

Von der obersten Kante der Mauer bis zum höchsten Punkt des Kopfes der jungen Frau lässt sich ein großes Quadrat spannen, dass so breit ist wie das Gemälde. Zur Bestimmung des Mittelpunkts dieses Quadrats werden die Mittelsenkrechte und die horizontal Halbierende eingezogen (Bildmitte). Das Quadrat besteht nun aus 4 gleich großen Teilen. Die Mittelhalbierende des Quadrats darf nicht mit der Mittelhalbierenden des Gemäldes verwechselt werden.

Bei genauerem Hinsehen erkennt der Betrachter, dass das rechteckige Juwel am Stirnband durch dem Maler genau in der Mitte durch einen Strich geteilt wurde. Es sind so zwei direkt nebeneinander liegende Quadrate entstanden (rotes und grünes Quadrat).

Sie setzen das Ferroniere so mit dem großen Quadrat und seinen vier Teilen inhaltlich in Verbindung.

Leonardo da Vinci – Belle Ferroniere (Detail), Das Ferroniere
Das zentrale Schmuckstück besteht aus im Sechseck angeordneten kreisförmigen Edelsteinen, die um ein Rechteck aus zwei Quadraten gesetzt sind. In der unteren Mitte des Rechtecks hat Leonardo mit einem kurzen schwarzen Strich die Mitte des Rechtecks markiert

III Goldener Schnitt

coming soon

IV Der linke untere Quadrant

Vom Gesicht der jungen Frau führt der Blick des Betrachters herunter zu ihrem Hals mit der vierfach gewickelten Kette. Die Kette besteht aus gleich großen schwarzen und weißen Gliedern. Das kunstvoll genähte Kleid ist durch feine Linien klar gegliedert.

Der linke Teil der Kette hängt im Winkel von 72°. Der rechte Teil hängt im Winkel von 45°. Links und rechts an ihrem Dekolleté sind zwei kreuzförmige Nähte zu erkennen (orange Kreuze). Das Kopfstück des Bandes am Dekolleté befindet sich leicht erhöht über diesen Kreuzen am grünen Saum des Kleides. Der Saum ist im 18° Winkel geneigt (grüne Linie horizontal).

Insgesamt erinnert die Betonung der Linien an eine Kreuzigungsszene. Zur Verdeutlichung wurde für diese Analyse dem Kruzifix ein fleischfarbendes stilisiertes Gesicht aufgemalt (pink). Demnach hängt der jungen Dame ein Kruzifix um den Hals. Links und rechts auf ihren Brüsten symbolisieren stilisierte Kreuze die zwei in der Bibel erwähnten Schächer, die mit Jesus gekreuzigt wurden (Lk 23,39). In der Ikonographie wird der reuige Sünder, der erlöst wird, zu seiner Rechten dargestellt, zur Linken ein überzeugter Krimineller.

Andrea Mantegna, Kreuzigung
Andrea Mantegna, San-Zeno-Altar (Ausschnitt), 1457–1460, Tempera auf Holz, San Zeno Maggiore in Verona. Eine typische Darstellung der Kreuzigungsszene mit den zwei Schächern. Zur Rechten Jesu der reuige Sünder, zu seiner Linken der überzeugte Kriminelle

Die anderen zwei Kopfstücke der Bänder (braune transparente Ellipsen) auf der rechten Schulter erinnern an zwei weitere Gekreuzigte, die in Richtung des Kruzifix blicken. Auf diese Art kann nun nicht mehr mittels der Ikonographie bestimmt werden, an welchem der nun fünf Kreuze sich Jesus befindet.

Da jetzt mehr als die ikonographischen drei Kreuze gezeigt werden, wird sogar unklar, ob es sich tatsächlich um die Kreuzigung von Jesus Christus handelt. Es könnte sich um jede andere Kreuzigungsszene handeln, zum Beispiel die des aufständischen Sklavenführers Spartacus, der mit 6000 weiteren Sklaven entlang der Via Appia gekreuzigt wurde.

Fyodor Andreyevich Bronnikov, Die gekreuzigten Sklaven
Fyodor Andreyevich Bronnikov, Die gekreuzigten Sklaven, 1878, Tretyakov Galerie, Moskau

Durch die ausladende, weiblich anmutende Hüfte der Figur am Kruzifix kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Frau gekreuzigt wurde.

Die Figur am Kruzifix kann darüber hinaus als eine Person gedeutet werden, die ihre Arme nach oben reckt (die zwei herabhängenden Glieder der Kette). Zur Verdeutlichung wird zum Beginn der Animation ein grünes nach oben blickendes Gesicht aufgemalt.

Insgesamt nimmt die Kreuzigungsszene den linken unteren Quadranten des umspannenden Quadrats ein. Das Kruzifix schließt die Szene nach rechts ab (grüne Linie horizontal). Der Kopf des obersten Gekreuzigten schließt die Szene nach oben ab (oberste braune transparente Ellipse). Beide Punkte liegen genau am Rahmen des linken unteren Quadranten.

V Der rechte untere Quadrant

An den Bändern der linken Schulter sind klar Knoten auszumachen, mit denen diese am Kleid befestigt wurden. Die Knoten sind so angeordnet, dass sie ein gleichschenkliges Dreieck ergeben, das heißt die linke und rechte Seite sind genau gleich lang (weiße Linien). Die beiden Innenwinkel links und rechts sind exakt 30° groß. Der obere Winkel beträgt 120°. Die untere Seite des Dreiecks teilt den rechten unteren Quadranten der Höhe nach im goldenen Schnitt (orange Linie). Er ist nicht zu verwechseln mit dem goldenen Schnitt der Gemäldehöhe, der sich knapp darüber befindet.

Dazu kann vom oberen Knoten ein 60° Winkel zum Ansatz des Mittelscheitels der jungen Frau gezogen werden (gelbe Linien). Von diesem führt ein 75° Winkel zum Mittelpunkt des linken unteren Quadranten. Verbindet man diese drei Punkte, erhält mein Dreieck mit den Innenwinkeln von 45°, 60° und 75°. Die linke und rechte Seite des so entstandenen Dreiecks tangieren beide Augen und zwar jeweils am linken Teil der Pupille.

Zudem befindet sich das namensgebende Ferroniere nun in der obersten Spitze dieses Dreiecks (gelb). Die beiden Quadrate im Stirnjuwel lassen sich nun spezifischer als Symbol für die beiden unteren Quadranten verstehen (rotes und grünes Quadrat am Stirnjuwel).

Mit Blick auf die benachbarte Kreuzigungsszene im linken unteren Quadranten wirken die von der Schulter herabhängenden Bänder auch hier vermenschlicht. Eine größere Figur (das mittlere Band) streckt die Arme nach zwei kleineren Figuren aus (linkes und rechts Band). Durch den hier faltig gelegten Stoff des Kleides kommen im linken Band zudem Assoziationen zu einer schlafenden Person auf, die sich unter einer Decke in einem Bett befindet. Ihr rechter Arm hängt von der Bettkante herunter.

VI Die beiden oberen Quadranten

Im Gegensatz zur unteren Hälfte des großen Quadrats, lässt sich für die beiden oberen Quadranten keine klare Unterteilung in einen linken und rechten Bereich erkennen. Stattdessen werden die beiden oberen Quadranten zu einem Rechteck zusammengelegt. Auch hier wird wieder der Bezug zum Ferronniere hergestellt, in dessen Mitte ein rechteckiger Edelstein gesetzt wurde. Dessen Proportionen entsprechen zwei nebeneinanderliegenden Quadraten.

Leonardo da Vinci – Belle Ferroniere (Detail), Das Ferroniere
Das zentrale Schmuckstück besteht aus im Sechseck angeordneten kreisförmigen Edelsteinen, die um ein Rechteck aus zwei Quadraten gesetzt sind. Die sechs Kreise der Edelsteine, sowie die umgebende Fassung sind um 30° in den Raum gekippt, so dass sie leicht elliptisch erscheinen

Bei genauerer Betrachtung besteht das Stirnelement des Ferronieres aus sechs gleich großen, kreisrunden Edelsteinen, die in der Form eines regelmäßigen 6-Ecks in einem Umkreis angeordnet sind. Der Umkreis erscheint oval, weil er um exakt 30° nach hinten gekippt wurde. In der Mitte dieses Kreises befindet sich das bereits bekannte rechteckige Juwel, das von dem Maler mit einem vertikalen Strich in zwei gleich große Quadrate geteilt wurde.

Das Stirnband ist um ca. 3,5° geneigt (weiße Linie). Der Kopf der jungen Frau ist ebenfalls um 3,5° nach links oben geneigt, erkennbar am Mittelpunkt ihrer Pupillen (blaue Linie).

Von da wo die Augachse (Blaue Linie) auf die Mittelsenkrechte trifft, lässt sich ein Winkel von 60° zu ihrem Mittelscheitel ziehen. Von diesem trifft eine Tangente am Stirnjuwel im Winkel von 45° wieder auf die Augachse. Es entsteht erneut das bereits bekannte Dreieck aus 45°, 60° und 75° Winkel. Doch es ist jetzt vertikal gespiegelt und um 3,5° geneigt. Diese beiden Dreiecke haben den gemeinsamem Eckpunkt im Mittelscheitel (IV gelbes Dreieck). Von der Mitte der beiden Quadrate des rechteckigen Juwels lassen sich zwei Linien zu den unteren Ecken des umgebenden weißen Dreiecks ziehen (V weiße Linien). Der linke Winkel ist 72° groß, der rechte 45°.

Die Mauer im Bildvordergrund besteht aus drei gleich große Teilen. Zu sehen ist ein Schlussstein, der auf einen zweiten, gleichhohen Stein aufgesetzt wurde. Der untere ist von einer starken Maserung durchzogen. Darunter ist eine nach hinten eingerückte Mauer zu erkennen, die sich durch stärkere Schattierung deutlich von den beiden darüber liegenden Steinen abgrenzt.

Werden nun lediglich die so entstandenen horizontalen Linien betrachtet, ergibt sich ein universales Schlussbild.
Das Wort Geometrie leitet sich ab von den altgriechischen Wörtern für Erde und Vermessen (geo und metron). Mittels der Geometrie war es den antiken Naturwissenschaftlern bereits möglich den Erdumfang, aber auch z.b. die Größe und Entfernung des Mondes zu messen. Bis zur Entdeckung des Uranus 1781 waren seit der Antike die sechs inneren Planeten unseres Sonnensystems bekannt. Vor diesem Hintergrund erscheinen in dieser Szene die von Leonardo konstruierten sechs horizontalen Linien als ein stilisiertes Sonnensystem in dessen Mittelpunkt das Stirnjuwel des namensgebenden Ferronieres gesetzt wurde (VI + Mouseover). Das Stirnjuwel wiederum besteht ebenfalls aus sechs gleichmäßig im Kreis angeordneten Edelsteinen.

Abschließendes Fazit zur Bildgeometrie

Leonardo da Vinci hat hier auf malerische Weise sein universales Weltverständnis offenbart. Er teilte das Bild in drei Bildabschnitte. Die junge Frau konstruierte er in ein Quadrat, dessen untere zwei Quadranten jeweils eine Kreuzigungszene und eine häusliche Szene zeigen. Darüber wurden die beiden oberen Quadranten zu einem Rechteck zusammengelegt, in dem sich in Verbindung mit den Linien der dreigeteilten Mauer im Vordergrund der universale Geist Leonardos offenbart. Alles ist gegliedert und verbunden durch die Geometrie. Das Juwel im Ferroniere ist dabei das alle Szenen verbindende Element. Es ist wahrlich ein Belle Ferroniere.

Bildinterpretation

Zur Verdeutlichung der Bildidee bediente sich Leonardo im namensgebenden Ferroniere der zwei grundlegenden Symbole der europäischen Kulturgeschichte: dem jüdisch-religiösen Davidstern und dem griechisch-akademischen Pentagramm.

Das Pentagon – Ein Symbol der griechischen Philosophie

Eines der bestimmenden Themen der antiken griechischen Naturwissenschaftler war der Versuch mit dem goldenen Schnitt eine universale mathematische Konstante nachzuweisen, die in allen Dingen enthalten ist. Sie fanden den goldenen Schnitt in den Abständen der Planeten, in den Blüten bestimmter Pflanzen und auch in den menschlichen Proportionen.
Das Symbol des goldenen Schnitts ist das regelmäßige Fünfeck oder Pentagramm. Die geometrische Konstruktion eines regelmäßigen Fünfecks ist nicht trivial und galt lange Zeit als ein Geheimnis, das nur in den antiken griechischen Akademien unterrichtet wurde. Dadurch wird mit dem Symbol bis in die heutige Zeit hinein eine gewisse Mystik verbunden.

Die berühmten Universalgelehrten Pythagoras, später dann Platon (platonische Körper) gehörten zu den ersten, die die natürlichen Vorkommen des goldenen Schnitts untersuchten.

Das Hexagon – Ein Symbol der jüdischen Religion

Das beständige Symbol des Judentums ist der Davidstern. Der religiöse Aspekt wird dadurch unterstrichen, dass sich der Davidstern auf zwei gleichseitige Dreiecke reduzieren lässt, die durch Spiegelung entstanden sind und ineinander verschoben wurden. Heute ein religiös-politisch aufgeladenes Symbol, handelt es sich im geometrischen Sinne um ein Hexagon, also ein regelmäßiges Sechseck.

König David ist auch für die Christen von großer Bedeutung. Das wird vor allem darin deutlich, dass das Neue Testament Josef, den Mann Marias, als direkten Nachfahren von König David auflistet (Mt 1,1–17). Auch der feierliche Einzug in Jerusalem durch Jesus Christus steht in der Tradition der ersten Eroberung der Stadt durch König David, dessen Sohn Salomon erstmals überhaupt in der Geschichte einen jüdischen Tempel bauen ließ.

Von der geometrischen Symbolik zum Bildmotiv, der Schönheit

Beide Symbole, Davidstern und Pentagramm sind an entscheidender Stelle im Gemälde vereint, nämlich im namensgebenden Ferroniere, wie im Abschnitt zur Bildgeometrie gezeigt wurde.

Die quadratische Grundaufteilung des Bildes in zwei untere Quadranten und ein darübersteigendes Rechteck teilt das Bild auch in der erzählerischen Ebene. Im unteren Bereich wird mit der Kreuzigungsszene links und der häuslichen Szene rechts ein klarer Bezug zur jüdisch-christlichen Vorstellungswelt geschaffen. Im darüber liegenden Bildabschnitt stellt Leonardo lediglich das schöne Antlitz der Belle Ferroniere in den Mittelpunkt, deren Stirnjuwel zugleich den Mittelpunkt eines stilisierten Planetensystems bildet (V + Mouseover).

Das Gemälde ist nun der Versuch einer geometrischen Synthese jüdisch-christlicher und griechisch-römischer Symbolik und unterstreicht den Eine-Welt-Gedanken des universalen Geistes von Leonardo da Vinci. Jenes Universalgenie hat damals bereits konfessions- und nationenübergreifend gedacht. Ganz Humanist, im wörtlichen Sinne, musste er zunächst Europa als Welt der Menschen und nicht als Welt der Völker und Religionen betrachten. Um diesen Gedanken zu vermitteln, reduzierte er die Darstellung auf das allen Menschen gemeinsame, die Schönheit. Ganz gleich ob sie nun einen griechisch-römischen oder jüdisch-christlichen Hintergrund hatten, verband sie als Menschen eines: der Sinn für Schönheit. Diese Schönheit drückt Leonardo auf zwei Ebenen aus. Zum einen über die präzise Ästhetik der zugrundeliegenden Geometrie mit ihren interessanten Wechselbeziehungen, zum anderen über die auf ihre Schönheit reduzierte Belle Ferroniere.

Es wird nun gezeigt werden, dass Leonardo die griechisch-römische und jüdisch-christliche Symbolik nutzte, um über die Bildgeometrie dem Betrachter die eigentliche Bilderzählung nahe zu bringen. Es ist das Thema der Schönheit.

Es gehört zu Leonardos Porträtkunst, die Darstellung in seinen Gemälden zu überhöhen und zeitlose Abbilder der porträtierten Personen zu schaffen. Besonders beeindruckend ist dies bei der Mona Lisa zu erkennen. Leonardo hat keine spezifische Person gemalt, vielmehr handelt es sich um die Visualisierung einer Idee. Dabei war es ihm vor allem wichtig ein zeitloses Kunstwerk zu schaffen, dass frei von den Moden seiner Zeit auch von zukünftigen Generationen noch verstanden werden könnte.

Dafür bediente er sich jahrhundertealter Erzählungen, die bewiesen hatten, dass sie die Menschen tief bewegen. So malte er u.a. die biblischen Figuren Johannes den Täufer und Jesus Christus nebst seinen Jüngern beim Abendmahl, um so eine größtmögliche Bedeutungstiefe zu entwickeln. Er verzichtete zugleich aber auf allzu charakterisierende Attribute, so dass die Gemälde auch ohne das Wissen um die biblischen Geschichten verstanden werden können.

Obwohl es bei seinen Frauenporträts weniger augenfällig ist, hat Leonardo da Vinci auch dort relevante kulturgeschichtliche Erzählungen verarbeitet. Zwei dieser Geschichten, deren zentrales Thema der Kampf um Schönheit ist, werden von Leonardo durch den Einsatz feiner Akzente thematisiert.

Die griechische Interpretation – Helena von Troja

Vor allem die Gelehrten der griechischen Akademien der Antike waren bekannt für die Faszination vom goldenen Schnitt, der im Gemälde der Belle Ferroniere mehrfach und wundersam in Szene gesetzt wurde. Wäre ein solcher Gelehrter gefragt worden, wer als die schönste Frau aller Zeiten galt, hätte er geantwortet: „Das war Helena, Helena von Troja“.

Hintergrund – Der trojanische Krieg

Helenas Entführung war die Ursache des trojanischen Kriegs. Dabei handelt es sich um einen wahrscheinlich fiktiven Feldzug der antiken Griechen gegen die Stadt Troja. Bekannt ist die Erzählung heute nur aus dem Werk „Ilias“ des griechischen Dichters Homer (ca. 800 v.Chr.).

Homer beginnt seine Erzählung mit einem Streit zwischen drei Göttinnen des Olymp darüber, wer von ihnen die Schönste sei. Denn es wurde ein goldener Apfel gefunden, der die Aufschrift trug „Für die Schönste“. Der Gott Zeus sollte den Streit entscheiden, weigerte sich aber und bestimmte den verstoßenen irdischen Prinzen Paris zum Schiedsrichter.

Die Göttinnen versuchten nun ihn zu bestechen. Hera versprach Paris die Weltherrschaft, Athene Weisheit, doch Aphrodite bot ihm die Liebe der schönsten Frau der Welt und gewann.

Die schönste Frau der Welt war Helena von Troja. Allerdings war sie bereits mit dem Sparta-König Menelaos verheiratet. Dennoch ließ sie sich von Paris nach Troja entführen.

Die Griechen stellten daraufhin eine Streitmacht auf, um sie zurückzuholen. Der Trojanische Krieg begann. Paris wurde dann im letzten Jahr der zehnjährigen Belagerung von Philoktetes mit Pfeil und Bogen getötet. Philoktetes war mit 7 Schiffen nach Troja gesegelt.

Nach dem Tod von Paris ging Helena an seinen Bruder. Nach dem Fall Trojas holte Menelaos die schöne Helena zurück nach Sparta.

Der Bezug zur Belle Ferroniere

Ihr linkes unnatürlich platziertes Haar, erinnert unweigerlich an eine für die Antike typische Reliefdarstellung. Leonardo hat die Dame hinter einer Mauer gemalt, die überwunden werden muss, möchte man ihr nahekommen. Ihre Hände sind von Leonardo bewusst nicht gemalt worden, sie sind unsichtbar und könnten gefesselt auf ihrem Schoß liegen. Der Blick aus der befestigten Stadt heraus könnte den griechischen Befreiern auf den Schiffen gelten, die kommen um sie zu befreien. Die griechischen Angreifer könnten die Mauer zum Teil schon überwunden haben, um in Form von Bändern an ihr hochzuklettern. Oben auf ihrer Stirn prangt die Ursache für den trojanischen Krieg, das kreisrund-rötliche Symbol der Schönheit, der stilisierte Apfel selbst. Lediglich die Aufschrift „Für die Schönste“ fehlt.

Der Blick in die Ferne könnte aber auch Paris gelten, der sich in Liebe nach ihr verzerrt. Dabei ignoriert sie all die Bänder, die als viel zu kleine Männchen an ihr herauf klettern, nur um die Trophäe auf ihrer Stirn zu erreichen.

Die Belle Ferroniere erscheint schließlich als das trojanische Pferd, das dem Betrachter bei näherer Untersuchung die im Gemälde verborgenen geometrischen Schätze offenbart. Denn aus ihr klettern sieben Bänder, die über die Kunst der Geometrie verbunden sind. Umringt von einer eigentlich nicht schwer zu überwindenden Mauer, stellt diese doch für viele ein nicht zu überwindendes Hindernis dar. Ganz im Geiste Platons, der über den Eingang seiner Akademie geschrieben haben soll: „Ohne die Kenntnis der Geometrie soll keiner eintreten“.

Leonardo da Vinci – Belle Ferroniere (Detail), Haarnetz und Stirnjuwel
Das nach oben abschließende Haarnetz der Belle Ferroniere besteht aus vielen gleich großen Kreisen. Sollen diese am platzsparendsten angeordnet werden, ergibt sich, wie hier zu sehen, ein sechseckiges Muster, also ein Hexagon (Davidstern)

Die biblische Interpretation – Batseba, Frau von König David

Spätestens ab dem 15. Jh wurde das regelmäßige Sechseck als Davidstern Teil der jüdischen Symbolik. Man findet ihn heute unter anderem auf der Flagge Israels. Er ist benannt nach dem legendären jüdischen König David, der unter anderem – noch als Knabe – den Riesen Goliath besiegte. Mit einer seiner Ehefrauen, Batseba, zeugte er den für seine Weisheit bekannten König Salomo. Salomo war der Erbauer des ersten jüdischen Tempels in Jerusalem.

Exkurs – Batseba

Batseba war ursprünglich die Frau von einem der Generäle Davids, Urija. Als Urija auf einem Feldzug ging, sah David Batseba beim Baden. Er ließ sie heimlich zu sich holen, schlief mit ihr und sie wurde schwanger.

David ließ daraufhin Urija vom Feldzug zurückrufen und hoffte, dass dieser mit Batseba schlafen würde, wodurch sie dann ihre Schwangerschaft hätte erklären können. Doch Urija hielt sich von ihr fern und verwies auf die Solidarität mit seinen in der Ferne kämpfenden Soldaten, die auch fern von ihren Frauen waren.

Daraufhin sandte David Urija zurück auf den Feldzug und gab den geheimen Auftrag ihn an vorderster Linie gegen die stärksten Feinde kämpfen zu lassen. Er fiel daraufhin im Kampf. Nach dessen Tod heiratete David Batseba. Ihr Erstgeborenes war verflucht und starb im Kindbett. Das zweite Kind wurde Davids Nachfolger, der weise König Salomo. Salomo baute dann den ersten steinernen Tempel in Jerusalem.

Der Bezug zur Belle Ferroniere

Die Belle Ferroniere trägt ein an eine Kippa erinnerndes Haarnetz aus vielen gleich großen Kreisen. Diese Kreise sind im Sechseck angeordnet. Die Haare der Belle Ferroniere wirken deplatziert, beinah verrutscht, wie etwa eine Perücke. Verheiratete jüdische Frauen tragen traditionell entweder Kopftücher oder Perücken.

Der Blick der Dame gilt in diesem Sinne einem der beiden Männer, Urija oder David.

Blickt sie auf den im Felde kämpfenden Urija, schaut der Betrachter als König David auf sie. So könnte sie kurz davor sein, sich zu entkleiden, um ein Bad einzunehmen VII. Heimlich beobachtet von einem durch ein Fenster blickenden Betrachter, den sie jedoch nicht sieht. Der Eindruck verstärkt sich um so mehr, wenn die beiden unteren Quadranten abgedeckt werden. Die Belle Ferroniere erscheint nun unbekleidet, lediglich den Schmuck behält sie an, wie zum Bade.

Umgekehrt schaut der Betrachter auf sie als ihr vom Feldzug heimkommender Ehemann Urija.

Ihr Lächeln gilt dann König David, den sie, ihre Schwangerschaft ahnend, voller Zuversicht erblickt. Ihr möglicherweise schwangerer Bauch wird dabei durch die Mauer verdeckt.

Die unvollendet gemalte Mauer im Vordergrund verweist daneben als Allegorie auf die Errichtung des Fundaments des ersten jüdischen Tempels durch Salomo, dem gemeinsamen zweiten Sohn von David und Batseba.

Fazit zur Bildinterpreation

Es ist bedruckend zu erkennen, wie Leonardo mit überaus wenigen Stilmitteln das Bild durchkomponiert hat. Vor allem überrascht mit welcher Leichtigkeit er zwei große Themen der europäischen Kulturgeschichte miteinander in Beziehung setzt. Leonardo da Vinci hat hier gezeigt, das hinter der zunächst sichtbaren Ebene noch weitere Bedeutungsebenen zu finden sind, die als willkürlich und zufällig erscheinen könnten, hätten sie nicht das alles verbindende Element, die Geometrie.

Am Eingang von Platons Akademie hat der Legende nach eine Inschrift gestanden: "Ohne die Kenntnis der Geometrie soll keiner eintreten“. Leonardo kannte diese Legende und er hat sich dieses Motto auch in diesem Gemälde zu eigen gemacht. Gebe es nicht die zugrundeliegende Präzision der Bildgeometrie, könnte man die Ahnungen und Assoziationen, die das Gemälde dem flüchtigen Betrachter liefert nicht greifbar machen. Die Geometrie aber liefert hier den Schlüssel zum tieferen Verständnis.

Wie gut entspricht hier die hohe Kunst der Natur! Da Vinci hätte, wie so oft, die Seele abbilden können. Aber er tat es nicht, damit das Bild ein gutes Abbild sei. Denn il Moro* allein besaß ihre Seele in seiner Liebe. 
Sie, die gemeint ist, heißt Lucrezia, und ihr haben die Götter alles geschenkt mit reicher Hand. Wie selten ihre Gestalt! Leonardo malte sie, il Moro liebte sie: Der eine der Erste unter den Malern, der andere der Erste unter den Fürsten. 
Sicherlich hat der Maler die Natur und die hohen Göttinnen beleidigt mit seinem Bild. Es ärgert sie zuletzt, dass die menschliche Hand zu so viel fähig ist. Eher noch, dass einem Wesen, das schnell vergehen sollte, Unsterblichkeit verliehen wurde. Er tat es aus Liebe für il Moro, wofür il Moro ihn beschützt. Beide, Götter und Menschen, fürchten sich, il Moro zu verärgern. 

* il Moro (dt: der Schwarze oder auch der Maure), war der Beiname von Ludovico Sforza, Herzog von Mailand

Antonio Tebaldeo (1463-1537) Erzieher der Isabella d’Este, Herzogin von Mantua und Schwägerin des Mailänder Herzogs

Quellen

Website des ausstellenden Museums: Louvre-Museum, Paris

Frank Zöllner, Leonardo, Taschen (2019)

Martin Kemp, Leonardo, C.H. Beck (2008)

Charles Niccholl, Leonardo da Vinci: Die Biographie, Fischer (2019)

Johannes Itten, Bildanalysen, Ravensburger (1988)

Gustav Schwab, Sagen des klassischen Altertums - Vollständige Ausgabe, Anaconda Verlag (2011)

Die Bibel, Einheitsübersetzung, Altes und Neues Testament, Pattloch Verlag (1992)

Besonders empfehlenswert

Marianne Schneider, Das große Leonardo Buch – Sein Leben und Werk in Zeugnissen, Selbstzeugnissen und Dokumenten, Schirmer/ Mosel (2019)

Leonardo da Vinci, Schriften zur Malerei und sämtliche Gemälde, Schirmer/ Mosel (2011)

Nobody is perfect - das gilt auch für nicofranz.art!

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