Leonardo da Vinci Feste – Festa del Paradiso

Leonardos Feste

Zu Leonardos Aufgaben am Mailänder (1486-1499) und später auch am französischen Hof (1516-1519) gehörte die Organisation aufwändiger höfischer Feste. Leonardo war für die künstlerische Gestaltung zuständig und entwarf Szenerie, Bühnenbild und Kostüme. Da er ein guter Sänger war und zahlreiche Instrumente spielte, hat er die Feste vermutlich auch musikalisch begleitet. Wegen der nie zuvor gekannten Magie der Inszenierung hinterließen die von Leonardo organisierten Feste bei allen Gästen einen legendären Eindruck. Das "Paradiesfest" (ital. 'Festa del Paradiso') ist das bekannteste Fest, das Leonardo inszenierte.

La Festa del Paradiso

Am 13.1.1490 findet am Hof von Ludovico Sforza die von Leonardo inszenierte "Festa del Paradiso" statt (ital. 'Paradiesfest'). Das Fest wurde so legendär, dass Leonardo es mehr als 25 Jahre später für den französischen König Franz I. erneut inszenieren musste. Anlass des Festes war die ein Jahr zuvor geschlossene Ehe zwischen Isabella de Aragón und dem noch minderjährigen Gian Galeazzo Sforza, rechtmäßiger Herzog von Mailand. Von dem Fest selbst sind nur sehr wenige Details überliefert.

Ablauf des Festes

Das Fest war angelegt als ein gewaltiges Theaterstück. Die Gäste wurden in einer vorgegebenen Reihenfolge zu ihren Plätzen geführt. Alle Diener waren als Sterne verkleidet. Den Raum dominierte eine große Bühne, die sich anfangs hinter einem Satinvorhang verbarg. Bei Einbruch der Dämmerung sprach ein Engel, und zu den Klängen eines Chores fiel der Vorhang, hinter dem sich das Paradies verbarg. Es hatte die Form eines halbierten Eis, dessen Innenseite ganz vergoldet war, mit unzähligen Lichtern als Sterne und einigen Nischen, in denen sich die sieben Planeten befanden, je nach ihrem Rang oben oder unten. Den Rand des oberen Halbkreises entlang waren die zwölf Tierkreiszeichen mit Lichtern, die in Glas eingeschlossen waren, was galant und schön anzusehen war. In diesem Paradies waren viele Gesänge und süße, sanfte Klänge zu hören.

Die sieben Planeten waren als Götter personifiziert. Sie standen auf einer gewaltigen Maschine, die sie wie in einem Riesenrad bewegte. Jupiter in der Mitte, um ihn herum Merkur, Venus, Mars, Saturn, Apollon als Sonne und Diana als Mond. Die jugendlich schönen Darsteller standen in einer halboffenen Kugel und waren vollständig mit weißer Farbe bemalt und mit nur wenigen weißen Stoffen verhüllt, dazu hielten sie eine große, weiße Wachskerze und das jeweilige Attribut der Götter, die sie repräsentierten. Jedes Mal, wenn sich ein Planet der Braut Isabella näherte, trat das zugehörige göttliche Wesen aus der Kugel hervor und sang die vom Hofdichter Bellincioni gedichteten Verse. Diese Verse waren göttliche Loblieder auf die Vermählten, so preiste die Venus die Schönheit der Braut und Apollon ihre Begabungen. Zu den Versen tanzten anmutige Grazien. Schließlich verließ die Braut das Fest auf einem Weg aus Kerzen, die nach und nach hinter ihr erlöschten.

Symbolik

Insgesamt stellte die Bühne also ein stilisiertes Auge dar: die äußere Form entsprach einem halbierten Ei und in der Mitte gab es ein riesenradartiges Gebilde. Das Bühnenbild zeigte außerdem sieben Planeten. Sieben, weil es zu der Zeit noch keine Fernrohre gab und Himmelskörper daher nur mit bloßem Auge beobachtet werden konnten. Demnach entsprachen die sieben Planeten den mit bloßem Auge erkennbaren Himmelskörpern: Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Im Gegensatz zu heute galten Sonne und Mond zusätzlich als Planeten. Uranus und Neptun waren noch unentdeckt.

Baldassore Taccones "Danae"

Baldassore Taccone war Kanzler des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza. Taccone betätigte sich auch als Schriftsteller und schrieb "La Danae", eine Komödie in fünf Akten. Das Theaterstück wurde 1496 am Mailänder Hof aufgeführt. Was heute über die Aufführung bekannt ist, stammt von Taccone selbst. Außerdem ist eine Skizze Leonardos zum Bühnenbild erhalten, auf dem auch die Namen der Schauspieler aufgelistet werden, sowie Maßangaben zu ihrer Position auf der Bühne. Wie in dieser Zeit üblich, wurde die Danae von einem männlichen Schauspieler gespielt. Taccone selbst übernahm die Rolle des Gärtners Sirus.

Entwurf für ein Bühnenbild zu Baldassore Taccones Aufführung der Danae, Leonardo da Vinci, um 1496, The Metropolitan Museum of Art (17.142.2)
Im linken oberen Bereich eine Liste der beteiligten Schauspieler und Maßangaben zu ihren Positionen auf der Bühne. Auf der rechten Seite Skizzen zum Bühnenbild in Aufriss (unten), Grundriss (oben) und Vogelperspektive (ganz rechts).
Links unten, im Zentrum des Bühnenbildes, Jupiter, Verführer der Danae, auf einem ovalen Thron und von einer flammenden Aura umgeben

Wer war Danae?

Danae ist eine Figur der griechischen Sagen. Sie war die Tochter von Akrisios, König von Argos. Als ein Orakel ihn warnte, er würde durch ihr Kind seinen Thron und sein Leben verlieren, sperrte er sie in ein Verlies, das von Hunden bewacht wurde. Doch der Göttervater Zeus begehrte Danae. Er verwandelte sich in einen goldenen Regen, um zu ihr zu gelangen. Danaes Vater setzte daraufhin seine schwangere Tochter auf dem offenen Meer aus, wo sie aber vom Poseidon gerettet wurde, der sie zum Festland brachte. Danae gebar dann den späteren griechischen Helden Perseus. Er erfüllte schließlich die Prophezeiung und tötete Akrisios.

Taccones Variation der Erzählung

Taccone interpretiert die antike Sage recht frei. Er lässt die schwangere Danae von ihrem Vater zum Tode verurteilen, woraufhin sie von Jupiter gerettet wird, der sie in einen Stern verwandelt und sie in einer Explosion von Licht und Klang in den Himmel steigen lässt. Während des gesamten Stücks verbringt die Figur des Merkur ihre Zeit damit, zwischen der Erde und dem Olymp hin und her zu fliegen.

Das Bühnenbild

Das Auf- und Absteigen des Götterboten Merkur wurde vermutlich mit einer von Leonardo da Vinci entworfenen Hebebühne umgesetzt, wie er sie bereits für das Paradiesfest konstruiert hatte. Möglicherweise standen auch die anderen Schauspieler jeweils auf einer einzelnen Plattform, so dass sie separat nach oben bewegt werden konnten. Das würde erklären, warum Leonardo die Position der Schauspieler so genau verzeichnet hat. Grundsätzlich waren Hebebühnen keine Besonderheit, sondern eine Mode der Renaissance. So hatte bereits der Florentiner Künstler und Ingenieur Filippo Brunelleschi zu Beginn des 15. Jh. Hebebühnen für Theateraufführungen eingesetzt. Das besondere an Leonardos Hebebühnen ist die Komplexität der Mechanik und die künstlerische Gesamtwirkung.

Neben der großen Hebebühne beeindruckte das Dach der Bühne. Dort erstrahlten zahlreiche Öllampen, die wie Sterne leuchteten und den Olymp symbolisieren sollten. Zusätzlich wurde die Aufführung von Musikern begleitet, die hinter den Bühnenmaschinen verborgen waren.

Leonardos Theatermaschinen

Leonardo baute nicht nur die bereits bekannten Hebebühnen, sondern kombinierte seine mechanischen Kenntnisse mit seiner Fantasie und schuf bis dahin unbekannte Maschinen, die einige heute als Roboter beschreiben. Sie zählen zu seinen bekanntesten Erfindungen.

Das Automobil

Leonardo fertigte eine Skizze zu einem Wagen an, der an ein heutiges Automobil erinnert. Die Räder dieser Erfindung waren mit einem System von Zahnrädern verbunden und es gab eine Vorrichtung, um das Gefährt zu bremsen. Es fehlte jedoch ein Fahrersitz. Lange Zeit war unklar, wie das Fahrzeug angetrieben werden sollte und welchen Zweck es haben sollte. Heute wird allgemein angenommen, dass es sich um ein überdimensionales Aufziehauto handelte, das durch eine Spannfeder angetrieben werden sollte. Zur Überraschung des Publikums konnte es daher von allein auf die Bühne fahren. Es ist denkbar, dass dann Schauspieler auf dem Fahrzeug standen oder Teile des Bühnenbildes auf diese Art in die Szene fuhren. Es gibt allerdings keine zeitgenössischen Berichte über einen tatsächlichen Einsatz des Automobils.

Der mechanische Löwe

In einer frühen Leonardo Biografie von 1550 berichtet Giorgio Vasari:

"Zu dieser Zeit kam der König von Frankreich nach Mailand, und auf seine Bitten, irgend etwas Wunderbares zu machen, schuf er einen Löwen, der einige Schritte gehen konnte und dann und wann die Brust öffnete, die voller Lilien war."

Lilien sind zum einen das Symbol der französischen Monarchie, zum anderen das Wappen von Florenz, der Heimatstadt Leonardos. Der Löwe ist ein zweideutiges Symbol. Er repräsentiert zum einen die majestätische Kraft des Königs. Zum anderen kann der Löwe, in seiner lateinischen Übersetzung '(Panthera) Leo', auch als Wortspiel zu Leonardo verstanden werden. Zwei Skizzen Leonardos in seinen Notizbüchern sprechen dafür, dass sich die Szene tatsächlich so dargestellt hat, wie Vasari berichtet.

Der mechanische Ritter

In Leonardos Notzibüchern lassen sich Skizzen zu einem mechanischen Ritter finden. Es ist unbekannt, ob dieser realisiert wurde. Da die Skizzen sehr detailliert sind und auf einige Notizbücher verstreut, lässt sich schließen, dass es sich um ein Projekt handelte, dass sich über einige Zeit hinzog. Den Skizzen ist zu entnehmen, dass der Ritter sich über ein System aus Seilzügen bewegen konnte, z.B. konnte er die Arme bewegen und den Kopf neigen.

Kostümbildner

Leonardo entwarf auch Kostüme für die von ihm organisierten Feste. Allerdings sind nur wenige Zeichnungen davon erhalten.

Musiker

Leonardos beeindruckendes Spiel auf der Lyra (Harfe), soll bei einem offiziellen Besuch einer Florentiner Delagation in Mailand so großen Eindruck gemacht haben, dass der Mailänder Herrscher Luvoco Sforza Leonardo zu sich an den Hof holte. Giorgio Vasari berichtet davon in seiner Leonardo Biografie von 1550:

"Im Jahre 1494 war Giovan Galeazzo, Herzog von Mailand, gestorben, und Lodovico Sforza wurde zum Nachfolger gewählt. Dieser fand großes Vergnügen am Lautenspiel, und Leonardo wurde deshalb ehrenvoll berufen. Er nahm ein Instrument mit, das er selbst fast ganz aus Silber in Form eines Pferdekopfes verfertigt hatte, eine seltsame und neue Gestalt, berechnet, dem Klang mehr Stärke und Wohllaut zu geben. Dadurch übertraf er alle Musiker, die nach Mailand gekommen waren, um dort zu spielen. Außerdem war er zu seiner Zeit der beste Improvisator im Reimen. Der Herzog, durch die wunderbaren Gaben Leonardos entzückt, verliebte sich in seine Talente so sehr, daß es fast unglaublich war."

Allerdings handelt es sich dabei vermutlich um eine Legende. Zwar reiste Leonardo 1482 tatsächlich als Teil einer Florentiner Delegation nach Mailand und auch zog er im selben Jahr in diese Stadt, doch wurde er erst etwa vier Jahre später Mitglied des Mailänder Hofes. Zuvor hatte er drei Jahre lang, von 1483 bis 1486, als selbstständiger Maler an seinem ersten eigenständigen Gemälde gearbeitet, der Felsgrottenmadonna, die Mailänder Mönche bei ihm beauftragt hatten. Dieser verhältnismäßig große Auftrag dürfte eher der Anlass für Leonardos Umzug nach Mailand gewesen sein.

Unterhaltungskünstler

Für die Feste bereitete Leonardo rätselhafte Fragen vor, die er zur Unterhaltung der Gäste präsentierte. Sie sollten wie wirre Prophetie vorgetragen werden ("Sag es hastig oder als wärst du verrückt"), und bei ihrer Lösung für allgemeine Erheiterung sorgen. Zwei Beispiele:

"(Sag es hastig oder als wärst du verrückt) Viele werden damit beschäftigt sein, von dem etwas wegzunehmen, das um so mehr wächst, je mehr man wegnimmt." – Eine Grube.

"Das Wasser des Meeres wird sich über die Gipfel der Berge erheben und vom Himmel herab auf die Häuser der Menschen fallen." – Wolken und Regen

Vasari schreibt in seiner Leonardo Biografie, dass Leonardo einen Teig aus Wachs herstellte und wenn er flüssig war, formte er sehr zarte Tiere, die er mit Luft füllte. Wenn er hineinblies, flogen sie. Wenn die Luft heraus war, fielen sie wieder zur Erde.

Vasari schreibt weiterhin, dass Leonardo eine Eidechse gezähmt haben soll, der er Flügel aus der Haut anderer Eidechsen machte, welche er mit Quecksilber gefüllt hatte. Wenn sich die Eidechse dann bewegte, zitterten ihre Flügel. Weil er ihr zusätzlich noch Augen, Bart und Hörner gemacht hatte, sah das Tier nun aus wie ein kurioses Fabelwesen. Ähnliches soll er mit Eichhörnchen gemacht haben, die er fangen ließ, um ihnen Gewänder anzulegen, um sie dann auf einem Fest in die Freiheit zu entlassen, zur Verzückung der anwesenden Gäste.

Angesichts der bekannten Tierliebe Leonardos, die der Vegetarier Leonardo selbst in seinen Notizbüchern bestätigt, ist unklar inwiefern diese Berichte der Wahrheit entsprechen oder ob sie zu den zahlreichen Legenden gehören, die über Leonardos Leben verbreitet wurden.

Quellen

Frank Zöllner, Leonardo, Taschen (2019)

Martin Kemp, Leonardo, C.H. Beck (2008)

Charles Niccholl, Leonardo da Vinci: Die Biographie, Fischer (2019)

Frank Zöllner/ Johannes Nathan, Leonardo da Vinci - Sämtliche Zeichnungen, Taschen (2019)

Besonders empfehlenswert

Marianne Schneider, Das große Leonardo Buch – Sein Leben und Werk in Zeugnissen, Selbstzeugnissen und Dokumenten, Schirmer/ Mosel (2019)

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