Leonardo da Vincis Erfindungen werden heute zu einem Mythos verklärt. In der gängigen Literatur wird dann häufig die Idee und der Einfallsreichtum Leonardos betont, doch gleichzeitig wird behauptet, seine Apparate hätten so nie funktionieren können. Noch andere sagen, viele der Erfindungen für die Leonardo heute gerühmt wird, wären eigentlich Erfindungen anderer gewesen und er hätte sie nur kopiert. Und beides ist wahr.
Konnten Leonardos Erfindungen funktionieren?
Leonardo trug stets einen Skizzenblock bei sich, da ihm im Alltag oft Ideen kamen, die er ohne weitere Erklärungen niederschrieb und zeichnete. Das konnten auch flüchtig skizzierte Modelle von Apparaten sein, jedoch nicht mit dem Anspruch nachbaufähig zu sein. Er machte diese Notizen nur für sich, weil er während des Skizzierens der Gedanken über deren Machbarkeit nachdachte. War er dann wieder in seiner Werkstatt, legte er diese Notizen zur Seite und es konnte vorkommen, dass er dann nie wieder hineinschaute, weil er durch andere Aufgaben und Gedanken keine Zeit mehr dafür hatte oder weil sich kein praktischer Anwendungszweck daraus ergab. Dadurch erklärt sich, dass viele seiner Skizzen nie umgesetzt wurden. Umgekehrt konnte daraus aber auch zum Beispiel ein großes Bauvorhaben werden, ein Automat für ein fürstliches Fest oder auch ein Gemälde.
Leonardos Notizbücher, Codices genannt, sind zum Teil erhalten geblieben. Heute befinden sich die insgesamt ca. 6000 Seiten verteilt auf Museen in Spanien, England, Frankreich und Italien. Die Codices wurden zum großen Teil digitalisiert und sind online einsehbar. 1994 erwarb Bill Gates das einzige im Privatbesitz befindliche Manuskript Leonardos, den Codex Leicester.
Hat Leonardo die Ideen anderer kopiert?
Leonardo besaß als Gelehrter der Renaissance eine umfangreiche Bibliothek. In dieser befanden sich verschiedene zeitgenössische Bücher, aber auch Werke antiker Gelehrter und Ingenieure wie Platon, Euklid oder Archimedes. Leonardo da Vinci, ein Gelehrter der Renaissance, versuchte das damals bekannte Wissen der Welt zu erfassen. Das zeitgenössische ebenso, wie das verloren geglaubte und damals abschätzig betrachtete Wissen der griechisch-römischen Antike. Leonardo kannte also viele Erfindungen seiner und früherer Zeit, setzte sich gedanklich mit ihnen auseinander und versuchte sie da zu verbessern, wo es ihm möglich war. Er hatte den Ehrgeiz, sämtliches bekanntes Wissen seiner Zeit zusammenzutragen, dieses Wissen auf die Prinzipien zu reduzieren und darauf aufbauend diese weiterzuentwickeln.
Leonardo war zudem in der wissenschaftlichen Welt Europas bestens vernetzt, was zu einem steten Austausch von Ideen führte. Dadurch kann aus heutiger Sicht der Eindruck von Plagiaten entstehen. Doch aus Sicht der Renaissance-Gelehrten ging es eben genau darum, hervorragende Ideen anderer aufzugreifen, sie zum Zweck eines gemeinschaftlichen Fortschritts der Menschheit zu verbreiten und im besten Fall diese Ideen noch zu verbessern. Es entstand eine Klima des fächerübergreifenden wissenschaftlichen Austauschs. Insofern hat Leonardo da Vinci antike sowie zeitgenössische Ideen kopiert, jedoch oft auch weiterentwickelt.