Leonardos Familie

Wer waren die Eltern von Leonardo?

Leonardo da Vinci war der uneheliche Sohn des Notars Ser Piero da Vinci und des Bauernmädchens Caterina. Die beiden hatten eine kurze Affäre, trennten sich aber kurz nach Leonardos Geburt. Leonardo wuchs daraufhin bei der Familie seines Vaters auf, die auf einem Landgut in Vinci wohnte.

Wieviele Geschwister hatte Leonardo?

Leonardo da Vinci hatte 17 Halbgeschwister. Fünf über seine Mutter. Und zwölf weitere über seinen Vater. Er war der Älteste.

War Leonardo da Vinci verheiratet?

Leonardo da Vinci war nie verheiratet. Es sind keine Liebesbeziehungen mit Frauen bekannt. Oft wird behauptet Leonardo war homosexuell. Dafür gibt es aber keine konkreten Anhaltspunkte.

Hatte Leonardo da Vinci Kinder?

Leonardo da Vinci hatte keine Kinder.

Leonardos Mutter – Caterina

Über Leonardos Mutter Caterina ist so gut wie nichts bekannt. Sicher ist nur, dass sie Caterina hieß, und das sie mit einem Accattabriga die Piero del Vaccha aus Vinci verheiratet war. Das geht aus der Steuererklärung von Leonardos Großvater hervor, die er 1457 erstellte. Dort werden die bei ihm lebenden Personen aufgelistet: "[und] Lionardo, unehelicher Sohn des genannten Ser Piero und der Caterina, die jetzt verheiratet ist mit Achattabriga di Piero del Vaccha aus Vinci." Über die Herkunft der Caterina gibt es im wesentlichen zwei Theorien. Die Mehrheit der Forscher geht inzwischen davon aus, das Caterina ein Bauernmädchen aus Vinci war.

Theorie I: Das Bauernmädchen Caterina

In den Steuererklärungen aus dieser Zeit geht hervor, dass es in der Gegend um Vinci nur eine Caterina gab. Diese Caterina (*1427) heiratete 1457 einen Antonio Buti di Piero del Vaccha. Die Familie von Antonio Buti bewirtschaftete einen eigenen Hof in Campo Zeppi, ca. 45min zu Fuß von Vinci entfernt.

Antonio Buti arbeitete zudem als Kalkbrenner. Die Familie besaß zwar eigenes Land, musste mit der Zeit aber immer mehr davon verkaufen. Antonios Umfeld war geprägt von finanziellen Schwierigkeiten. Es ist daher vorstellbar, dass seine Ehe mit Caterina von den Vincis vermittelt wurde, wobei er auch finanzielle Anreize geboten bekam. So wussten die Vincis sie versorgt und vermieden Gerede in der ländlich geprägten Gegend. Dass es Kontakte zwischen Antonio und den Vincis gab, ist mehrfach belegt. So traten Leonardos Vater und dessen Bruder über viele Jahre hinweg als Zeugen für Antonios Landverkäufe auf und er umgekehrt als Zeuge für Landkäufe der Vincis.

Antonio war auch unter seinem Spitznamen bekannt: Accattabriga. Accattabriga kann etwa mit “Streithansel” übersetzt werden, und setzt sich zusammen aus "accattare" (etwas kaufen) und "briga" (Streit). Einige Autoren behaupten daher, als “Streithansel” müsse er zugleich ein Raufbold gewesen sein. Sie stützen sich auf ein Gerichtsverfahren, in dem Antonio als Zeuge einer Schlägerei vernommen wurde, wohlgemerkt als Zeuge, nicht als Beschuldigter. Wahrscheinlicher ist es daher seine Streitlust auf seine Geschäfte zu beziehen. Vermutlich hat er im ländlich geprägten Geschäftsleben häufig auf seine Verwandtschaft mit den da Vincis hingewiesen, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen. Die männlichen Mitglieder der da Vinci Familie waren seit Generationen Juristen von hohem Ansehen.

Antonio “Accattabriga” starb 1490 mit ca. 60 Jahren. Aus seiner Ehe mit Caterina gingen vier Töchter und ein Sohn hervor. Diese fünf Kinder wären demnach Leonardos Halbgeschwister mütterlicherseits:

  • Piera (um *1454)
  • Maria (*1457)
  • Lisabetta (*1459)
  • Francesco (*1461), der einzige Sohn war Soldat und starb während einer der vielen Belagerungen von Pisa durch die Republik Florenz (1499-1509)
  • Sandra (*1463)

Theorie II: Die Sklavin Chaterina

Eine andere Theorie besagt, die Caterina aus der Steuererklärung von 1457 sei eine orientalische Sklavin gewesen. Leonardo hätte demzufolge auch arabische Wurzeln. Die Anhänger dieser Theorie argumentieren, dass die Caterina aus Vinci ein Jahr älter war, als Leonardos Vater Ser Piero. Da Ser Piero aber sehr viel jüngere Frauen bevorzugte, kann er die damals 25-jährige Caterina aus Vinci unmöglich begehrt haben.

Leonardos Vater Ser Piero war gut bekannt mit Ser Vanni, einem reichen Notar in Florenz. In dessen Haus gab es eine orientalische Sklavin, Chaterina. Sklaven waren im Florenz jener Zeit zwar unüblich, aber dennoch gab es sie hier und dort. Als Ser Vanni 1451 überraschend starb, also ein Jahr vor Leonardos Geburt, vermachte er die Sklavin Chaterina seiner Frau, Agnola. Ser Piero wurde zum Testamentsvollstrecker bestimmt und hielt sich daher oft im Haus der Vannis auf, könnte sogar zeitweilig dort gewohnt haben. Daher vermuten einige, er könnte diese Chaterina geschwängert haben und das gemeinsame Kind Leonardo auf den elterlichen Hof nach Vinci gebracht haben. Danach hätte er für Chaterinas Freiheit gesorgt, und sie mit dem bereits bekannten Antonio Buti (Accattabriga) verheiratet. Sicher ist, dass die Sklavin Chaterina in der ersten Steuererklärung nach Ser Vannis Tod, die jedoch erst 8 Jahre später abgegeben wurde, nicht mehr als Mitglied des Haushalts von Ser Vannis Witwe Agnola aufgeführt wurde.

Diese Theorie ist allerdings hochumstritten und hat nur wenige Anhänger. Dagegen spricht, dass es bereits vor 1451 also dem Jahr als es noch eine Sklavin Chaterina in Florenz gab, bereits eine Caterina in der Gegend von Vinci gab. Die Sklavin Chaterina und das Bauernmädchen Caterina müssen also zwei unterschiedliche Personen sein.

Leonardos Schrift

Außerdem soll Leonardos ungewöhnlicher Schriftstil eine arabische Herkunft belegen. Leonardo hat überwiegend von rechts nach links geschrieben, also spiegelverkehrt. Die arabische Schrift wird ebenso von rechts nach links geschrieben. Hat Leonardo diese Art zu schreiben von einer arabischen Mutter gelernt, die als gebildete Sklavin für einen Florentiner Notar tätig war? Das ist möglich. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Leonardo sich diese spezielle Art zu schreiben angewöhnte, weil er Linkshänder war. Hätte er mit seiner linken Hand von links nach rechts geschrieben, wäre die Hand über die noch nicht trockene Tinte gewischt und hätte das soeben geschriebene unkenntlich gemacht.

Leonardos Brücke für den Sultan

Im Zusammenhang mit Leonardos angenommenen arabischen Wurzeln ist es bemerkenswert, dass Leonardo sich 1503 in einem Brief an den osmanischen Sultan als Ingenieur anbietet. Der Brief befindet sich heute im Topkapi Museum in Istanbul. Leonardo wollte die längste Brücke der damaligen Welt konstruieren. Sie sollte das 1453 vom osmanischen Reich eroberte Konstantinopel (heute Istanbul), mit den nördlichen Stadtteilen verbinden, die auf der anderen Seite des Goldenen Horns liegen. Das Goldene Horn ist ein etwa 250m breiter Meeresarm in Istanbul. Dieser Brief wird von den Vertretern der arabischen Abstammungstheorie als Versuch Leonardos angesehen, zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Es könnte sich aber auch schlicht um den Versuch gehandelt haben, ein monumentales Bauprojekt zu verwirklichen. Es ist keine Antwort des Sultans bekannt. Auch war Leonardo den Quellen nach nie in Istanbul.

Leonardos Beziehung zu seiner Mutter

Die wenigen historischen Quellen aus Leonardos Kindheit zeigen, dass Leonardo in der Familie seines Vaters aufwuchs. Dennoch gilt es als wahrscheinlich, dass er in Kontakt zu seiner Mutter Caterina stand, auch wenn es dafür keine Belege gibt. Da der Hof von Caterinas Mann Antonio Buti (Accattabriga) zu Fuß nur ca. 45 Minuten von Vinci entfernt war, hat er seine Mutter vermutlich oft besuchen können und war ihr wohl zeitlebens verbunden.

Leonardo erwähnt seine Mutter Caterina nur dreimal in seinen Notizbüchern. Ein erster Eintrag ist Leonardos Entwurf für einen Brief, der auf 1481 datiert wird. Leonardo war etwa 29 Jahre alt. Dem schwer beschädigten Blatt, lassen sich jedoch nur zwei kurze Zeilen entnehmen: "Sag, sag, sag, sag mir doch, was dort los ist, und lass mich wissen, ob die Caterina tun will ...Sag, sag mir, ob die Dinge ..". Aus den wenigen Zeilen lässt sich heute nicht mehr schlussfolgern, was der Grund für Leonardos Sorge war.

Im Alter von 41 Jahren lebte Leonardo in Mailand. Hier erwähnt er wieder seine Mutter: „Caterina kam am 16.7.1493“. Im Jahr darauf starb in Mailand eine Catarina am Wechselfieber (Malaria), wie dem Eintrag einer Mailänder Kirche zu entnehmen ist. Da sich diese Kirche in unmittelbarer Nähe zu Leonardos Wohnort befand, und weil Leonardo zur selben Zeit eine Notiz mit einer detaillierten Aufstellung der "Ausgaben für die Beerdigung Caterinas" anfertigt, liegt es nahe zu vermuten, dass diese Caterina seine Mutter war. Er hat sie demnach zur Fürsorge bei sich aufgenommen, drei Jahre nachdem ihr Mann Accattabriga gestorben war. Vermutlich war ihre Lage nach dem Tod des Ehemannes immer prekärer geworden. Sie wurde etwa 67 Jahre alt.

Starb Leonardos Mutter tatsächlich in Mailand?

Am Beispiel vom Tod der Caterina lässt sich gut zeigen, wie uneindeutig die historische Quellenlage zu wesentlichen Aussagen in Leonardos Leben ist. Denn der Eintrag der Kirche in Mailand zum Tod einer Caterina lautet vollständig:

"Am 26. Juni [1494] starb Catharina aus Florenz, 6o Jahre alt, am Wechselfieber. Pfarrei der Heiligen Narbone und Felice im Mailänder Viertel von Porta Vercellina". (Catharina war die Mailänder Schreibweise der florentinischen Caterina.)

Es kann nun argumentiert werden, dass die Catharina, die in Mailand starb, nicht die Caterina aus Vinci gewesen sein muss.

  • die 1494 in Mailand gestorbene Catharina war 60 Jahre alt, wäre demnach 1434 geboren worden
  • die in Vinci lebende Caterina, Ehefrau des Accattabriga, wäre 1494 jedoch 67 Jahre alt gewesen. Dies geht aus einer Steuererklärung ihres Mannes hervor, in der sie 1487 mit 60 Jahren genannt wird. Demnach wurde sie 1427 geboren

Die sieben Jahre Differenz könnten einerseits mit einer Ungenauigkeit der jeweiligen Schreiber begründet werden, die die Jahreszahlen einfach rundeten. Eventuell wurde ihnen aus unbekannten Gründen auch ein falsches Alter genannt, eventuell von Leonardo selbst. Denn als sein Vater starb notierte er sich, dieser sei 80 Jahre alt geworden. Dabei starb er mit 78. Warum Leonardo in beiden Fällen auf Zehnerstellen rundete, wäre dann unklar.

Aufgrund der gezeigten Altersdifferenz von sieben Jahren ist es andererseits möglich, dass es sich bei der 1494 verstorbenen Catharina aus Mailand und der 1487 steuerlich erfassten Caterina aus Vinci um zwei verschiedene Personen gehandelt hat. Dass Leonardos Leben heute oftmals so mysteriös erscheint, hat seine Ursache in diesen und ähnlichen Ungereimtheiten. Dennoch ist es in der Leonardo Forschung heute weitgehend akzeptiert, dass die in Mailand verstorbene Catharina Leonardos Mutter aus Vinci/ Florenz war.

Leonardo da Vinci – Felsgrottenmadonna

Felsgrottenmadonna

1483-1486
Öl auf Holz, 122 × 199 cm
Paris, Musée du Louvre

Leonardos Familie väterlicherseits

Notare

Die Familie Vinci lässt sich bis 1339 zurückverfolgen. Die männlichen Vorfahren Leonardos waren seit Generationen angesehene Notare in Florenz. Ein Mitglied der Familie, Leonardos Urgroßvater Ser Piero da Vinci, hatte es bis zum Notar der Florentiner Stadtregierung gebracht, wurde sogar Gesandter der Republik Florenz. Nach ihm ist Leonardos Vater benannt. Die Vincis heirateten gezielt Frauen aus Florentiner Notarsfamilien, vermutlich aus ständischen Erwägungen. Die Familie war recht wohlhabend, aber nicht außergewöhnlich reich.

Grundbesitzer

Es war zu der Zeit modern, dass sich die gutverdienenden Bürger der italienischen Städte ein Haus auf dem Land kauften und dort die heißen Sommer verbrachten. Auch Leonardos Familie begann so Land in und um Vinci zu erwerben, ein Dorf unweit von Florenz. Über die Jahrzehnte wurde dies ein recht ansehnlicher Besitz. Dazu gehörten einige Häuser in Vinci und Bauernhöfe in der Umgebung, die an die Menschen der Umgebung verpachtet wurden. Bezahlt wurde die Pacht meist in Naturalien wie Getreide, Olivenöl oder Wein. Die Erträge aus der Verpachtung sicherten der Familie Vinci genug Einkommen, um finanziell unabhängig zu sein. Außerdem bauten sie ihre Besitztümer über die Jahrzehnte stetig aus. So war es einigen Familienmitgliedern möglich, keiner regulären Arbeit nachzugehen und ausschließlich die Familiengüter zu verwalten. So taten es Leonardos Großvater Antonio und später Leonardos Onkel Francesco.

Leonardos Großeltern – Antonio und Lucia

Über Leonardos Großvater Antonio da Vinci (*1372) ist nur wenig bekannt. Er wurde vermutlich, wie alle seine Vorfahren auch, zum Notar ausgebildet. Wahrscheinlich weil er der einzige Sohn seiner Eltern war, hat er aber nicht praktiziert und stattdessen die Familiengrundstücke in Vinci verwaltet.

Er war mit Lucia (*1395) verheiratet, die um die 20 Jahre jünger war und einer Notarsfamilie aus dem Nachbarort Baccheretto entstammte. Sie bekamen drei Söhne und eine Tochter:

  • Ser Piero (*1426), Leonardos Vater
  • Giuliano (*1427), muss noch als Kind verstorben sein, da es keine späteren Dokumente über ihn gibt
  • die Tochter Violante (*1432)
  • Francesco (*1436)

Antonios Aufzeichnungen zu Leonardo

Antonio notierte wichtige Familienereignisse in ein Familientagebuch, das bereits sein Großvater Ser Guido begonnen hatte. So findet sich dort auch eine Notiz des 80-jährigen Antonio über Leonardos Geburt und seine Taufe.

"Am 15. April, Samstag, nachts um 3 Uhr [gemeint ist drei Stunden nach Sonnenuntergang, also ca. 23:00 Uhr] wurde mein Enkel, Sohn des Ser Piero, meines Sohns, geboren. Er erhielt den Namen Lionardo, es taufte ihn der Pfarrer Piero di Bartolomeo aus Vinci, anwesend waren Papino di Nanni Banti, Meo di Tonino, Piero di Malvolto, Nanni di Venzo, Arigo di Giovanni Todesco, Monna [die Kurzform von Madonna, also 'Frau'] Lisa di Domenico di Brettone, Monna Antonia di Giuliano, Monna Niccholosa del Barna, Monna Maria, Tochter des Nanni di Venzo und Monna Pippa di Previchone."

Sie tauften Leonardo am ersten Sonntag nach Ostern im Jahr 1452. Die Tatsache, dass Leonardo unehelich geboren wurde, scheint für die Gemeinde unproblematisch gewesen zu sein. Denn die Anzahl der Anwesenden spricht dafür, dass es sich in der kleinen Gemeinde um kein heimliches Ereignis handelte. Uneheliche Kinder waren keine Seltenheit und kamen meist in die Obhut der Familie des Vaters. So auch Leonardo, der mindestens seine ersten zwölf Lebensjahre im Haushalt der Großeltern verbrachte. Dies belegt eine Steuererklärung des Großvaters aus dem Jahr 1457 in der der fünfjährige Leonardo als Haushaltsmitglied aufgeführt wird. Das Landleben und der verhältnismäßig einfache Lebensstil hatten sicherlich großen Einfluß auf Leonardos persönliche Entwicklung.

Tod der Großeltern

Wann genau die Großeltern verstarben ist unbekannt. Der Großvater starb sicher vor 1465, da er in dem Jahr von seinem Sohn Ser Piero mit dem Zusatz 'verstorben' genannt wird. Die Großmutter Lucia überlebte ihren Mann und wurde mindestens 74 Jahre alt, da sie in einer Steuererklärung von 1469 als Haushaltsmitglied von Ser Piero aufgeführt wird. Demnach lebte sie weiterhin auf dem Famliengrundstück in Vinci. Ihr genaues Todesjahr ist unbekannt.

Leonardo da Vinci – Anna Selbdritt

Anna Selbdritt

um 1502-1516
Öl auf Holz, 130 x 168 cm
Paris, Musée du Louvre

Leonardos Vater – Ser Piero

Kindheit in Vinci und Ausbildung

Leonardo da Vincis Vater, Ser Piero da Vinci wurde am 19.04.1426 geboren. Er wuchs auf den Besitztümern der Familie in Vinci auf und wurde später, wie alle seine Vorfahren, zum Notar ausgebildet. Daher auch das 'Ser' in seinem Namen. Dies war ein Namenszusatz, der ausschließlich Juristen vorbehalten war.

Ser Piero war vermutlich ab 1446 als Notar tätig, da er in einer Steuererklärung aus diesem Jahr nicht mehr im Haushalt seines Vaters Antonio aufgeführt wird. Er arbeitete zuerst in Pistoia, ca. 35 km entfernt von Florenz, wohin seine Schwester Violante geheiratet hatte. Um 1452 hatte er eine kurze Affäre mit einer Caterina, die ihm seinen ersten Sohn gebar, Leonardo. Wie seinerzeit üblich erkannte Ser Piero das uneheliche Kind an, gab es aber in die Obhut seiner Eltern in Vinci. Da Ser Piero sehr eifrig, karrierebewusst und viel unterwegs war, hat Leonardo ihn in seiner Kindheit vermutlich nicht oft gesehen. Eventuell hielt sich Ser Piero noch kurz in Pisa auf, bevor er sich spätestens ab 1458 endgültig in Florenz niederließ. Dies ist belegt durch einen von ihm ausgestellten Vertrag in diesem Jahr. Leonardo war zu dem Zeitpunkt etwa sechs Jahre alt und lebte, weiterhin getrennt von seinem Vater, bei seinen Großeltern in Vinci.

Ser Piero holt Leonardo nach Florenz

Ungefähr um 1464 starb Leonardos Großvater Antonio. Sein Sohn Ser Piero nennt ihn 1465 in einem Dokument 'verstorben'. Vermutlich deswegen und weil Leonardo im ausbildungsfähigen Alter war, holt ihn der Vater nach Florenz. Wann genau Leonardo nach Florenz kam ist unbekannt. Üblicherweise begann eine Lehre im Alter von 12-15 Jahren, was für die Jahre zwischen 1464 und 1467 spricht. Anhand einer Steuererklärung kann man sicher sagen, dass Leonardo spätestens ab 1469 bei Ser Piero in Florenz wohnte, da war er 17 Jahre alt.

Ser Piero fördert Leonardos Talente

In den 1460ern hatte es der mittlerweile etwa 40-jährige Ser Piero in Florenz bereits zu hohem Ansehen gebracht. Als Notar war er wohlhabend und verfügte über zahlreiche politische Verbindungen, unter anderem zu den mächtigen Familien Medici und Rucellai. Er galt dadurch als sehr einflussreich. Obwohl Ser Piero später noch zwölf weitere Kinder bekommen sollte, war Leonardo bis dahin sein einziger Nachkomme, weshalb er ihn besonders förderte.

Er besorgte Leonardo eine Ausbildung bei dem bedeutenden Florentiner Künstler Andrea del Verrocchio, der mit Botticelli, Ghirlandaio, Lorenzo di Credi und Perugino viele später sehr bedeutende Maler der Renaissance ausbildete. Verrocchio war, wie viele wohlhabende Florentiner, ein Kunde von Ser Piero. Zudem waren beide miteinander befreundet. Die Werkstatt Verrocchios galt zu der Zeit als eine der bedeutendsten in Italien. Der Ausbildungsort war bestimmt kostspielig, aber gut gewählt und sicherlich einer der Gründe für Leonardos späteren Ruhm.

Darüber hinaus machte sich der Vater auch in späteren Jahren für die Karriere seines Sohnes stark und versuchte seinen immer größer werdenden Einfluss als Notar der Florentiner Stadtregierung geltend zu machen, um Leonardo Aufträge zu vermitteln. Wahrscheinlich kam Leonardo durch seine Vermittlung an die Aufträge für die unvollendet gebliebenen Werke „Heiliger Hieronymus“ und die „Anbetung der Könige“. Der Vater war in späteren Jahren auch mit Niccolò Machiavelli bekannt, einem bedeutenden Staatsphilosophen (Machiavellismus) und Mitglied der Florentiner Stadtregierung. Machiavelli vermittelte Leonardo um 1503 den Auftrag zur (unausgeführten) “Schlacht von Anghiari” für den Sitzungssaal des Florentiner Stadtparlaments.

Ser Pieros Frauen

Ser Pieros vier Ehefrauen waren bei der Hochzeit sehr jung und verstarben mit Ausnahme der letzten noch vor ihrem 30. Lebensjahr.

Caterina

Ser Piero hatte um 1452 eine Affäre mit einer Caterina. Sie wurde schwanger und gebar ihm das uneheliche Kind Leonardo. Eine Heirat mit Caterina war aufgrund von Ständeunterschieden ausgeschlossen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass die Affäre in Ser Pieros Verlobungszeit mit seiner ersten Ehefrau Albiera fällt. Eine Auflösung dieser Verlobung hätte sicherlich zu Rechtstreitigkeiten und finanziellen Forderungen geführt, vor allem da beide beteiligten Familien Notarsfamilien waren.

Albiera

Noch im Jahr 1452, kurz nach Leonardos Geburt, heiratete Ser Piero (26 Jahre) die fünfzehnjährige Albiera di Giovanni Amadori (*1436). Albiera war die Tochter eines reichen Florentiner Notars und damit eine standesgemäße Ehefrau. Albiera starb 1464 im Alter von 28 Jahren. Die Ehe blieb kinderlos. Leonardo war seiner ersten Stiefmutter Albiera und ihrer Familie vermutlich tief verbunden. Es ist eine Notiz von 1515 erhalten, in der er anlässlich eines Besuchs seiner Heimatstadt Florenz eine Liste von Personen aufstellt, deren Verbleib ihn besonders interessiert. Dort nennt er den Pfarrer Alessandro Amadori, ein Bruder Albieras.

Francesca

Kurz nach Albieras Tod heiratete der nun 39-jährige Ser Piero 1465 erneut. Francesca di Ser Giovanni Lanfredini (*1449) war mit sechzehn Jahren ebenfalls sehr jung. Auch sie war die Tochter eines befreundeten Florentiner Notars. Die Lanfredini gehörten zu den einflussreicheren Familien von Florenz und waren Verbündete der Medicis. Die Heirat mit der noblen Francesca unterstreicht den hohen sozialen Status von Ser Piero. Die Ehe blieb ebenso wie die mit Albiera kinderlos. Francesca starb um 1475 ebenfalls sehr jung im Alter von ca. 26 Jahren.

Margherita

1475 heiratet der nun 49-jährige Ser Piero die 18-jährige Margherita di Francesco di Jacopo di Guglielmo (*1457). Leonardo ist bereits 23 Jahre alt und damit 5 Jahre älter als Margherita. Mit der Geburt von Leonardos Halbbruder Antonio im Jahr 1476 verliert Leonardo seinen Status als einziger Sohn Ser Pieros. Margherita und Ser Piero bekommen insgesamt sechs Kinder, bis auch sie um 1486 im Alter von nur 28 Jahren stirbt.

Lucrezia

Im Alter von 60 Jahren heiratet Ser Piero im Jahr 1486 zum letzten Mal, die 22-jährige Lucrezia Di Guglielmo Cortigiani (*1464). Mit ihr zeugt er ebenfalls sechs Kinder. Ihr Todesjahr ist unbekannt.

Leonardos Sorge um den Vater

Leonardo hatte Florenz 1482 im Alter von 30 Jahren verlassen und lebte für fast 20 Jahre in Mailand. In einem der Notizbücher Leonardos (Codex Atlanticus 178v) findet sich der Anfang für den Entwurf eines Briefes, den er an seinen Vater schreiben wollte.

"Liebster Vater,
am letzten des vergangenen Monats bekam ich Euren Brief, der mir auf kleinstem Raum Freude und Kummer bereitete: Freude, weil ich erfuhr, dass Ihr wohlauf seid, wofür ich Gott danke. Es bekümmerte mich, als ich von Eurem Missgeschick erfuhr".

Der Eintrag auf dem ansonsten leeren Blatt gehört zu den wenigen Notizen, die Leonardo nicht in Spiegelschrift geschrieben hat. Es ist unklar, wann Leonardo den Brief geschrieben hat und ob er ihn vollendet und abgeschickt hat. Die Notiz muss also nicht unmittelbar mit dem Tod des Vaters im Zusammenhang stehen.

Der Tod des Vaters

Mit dem Sturz des Mailänder Herzogs verliert Leonardo 1499 seinen Dienstherrn. Nach einigen Jahren des Umherziehens an italienischen Höfen kehrte er um 1503 für einige Jahre nach Florenz zurück. Er ist nun 51 Jahre alt. Zu dieser Zeit entsteht unter anderem das Porträt der Lisa der Giocondo ('Mona Lisa'). Leonardos Vater war mit ihrem Ehemann Francesco del Giocondo gut bekannt, so dass das Gemälde möglicherweise auf Vermittlung von Leonardos Vater entstanden ist.

Der Vater stirbt ein Jahr später am 09.07.1504 in Florenz. Er hat Leonardo im Testament nicht ausdrücklich bedacht und so entbrennt unter den Nachkommen ein Streit ums Erbe. Leonardo da Vinci, als unehelicher und damit nicht legitimer Sohn, geht dabei leer aus.

Leonardos rätselhafte Notizen

Im Zusammenhang mit dem Tod des Vaters sind zwei, voneinander unabhängige, kurze Notizen Leonardos bemerkenswert:

  • "Am Mittwoch um 7 Uhr starb Ser Piero da Vinci, am 9. Juli 1504, Mittwoch gegen sieben Uhr." (Codex Atlanticus, 196v)
  • "Am 9. Juli 1504, Mittwoch, starb um 7 Uhr Ser Piero da Vinci, Notar beim Palast des Podestà, mein Vater. Er war 80 Jahre alt. Er ließ 10 Söhne und zwei Töchter zurück" (Codex Arundel, 272r)

Die Notizen sind in mehrfacher Hinsicht rätselhaft.

  • Leonardo notiert sich dieselbe Information, nur leicht verändert, in zwei verschiedenen Notizbüchern. Und er wiederholt in der Notiz im Codex Atlanticus Tag und Uhrzeit am Ende der Zeile
  • Er gibt an, der Vater sei am 9.7.1504, einem Mittwoch gestorben. Der 9.7.1504 war aber ein Dienstag
  • Leonardo gibt an, der Vater wäre 80 Jahre alt geworden. Das widerspricht der aktuellen Forschung, die 1426 als Geburtsjahr Ser Pieros annimmt (vgl. Charles Nicholl, Leonardo). Daher dürfte Ser Piero nur 78 Jahre alt geworden sein. Eventuell hat Leonardo gerundet, als er von 80 Jahren schrieb. Aus demselben Grund könnte seine Mutter Caterina den Akten der Pfarrei der Heiligen Narbone nach offiziell mit 60 Jahren gestorben sein, obwohl sie tatsächlich 67 Jahre alt war. Leonardo könnte dort den Schreibern ein falsches Datum genannt haben. Die Gründe hierfür sind unbekannt
  • Leonardo zählt sich bei der Angabe der Söhne selbst nicht mit. Der Vater hatte einschließlich Leonardo nicht 10, sondern 11 Söhne, und 2 Töchter

Leonardos Onkel – Francesco

Francesco, Leonardos Onkel wurde 1436 geboren und lebte wie seine Eltern, also wie Leonardos Großeltern Zeit seines Lebens in Vinci und „tat nichts“, wie es in den Steuerunterlagen heißt, also hatte er keinen Beruf und lebte von den Erträgen der Pacht. Mit dem Tod seiner Eltern in den 1460ern geht der Landbesitz auf ihn über. 1465 heiratet er Alessandra Amadori (*1443), eine Schwester von Ser Pieros erster Frau Albiera.

Er hatte ein sehr inniges Verhältnis mit Leonardo, was wohl auch daran lag, dass er nur 17 Jahre älter war und beide sehr naturverbunden waren. Man erkennt die innige Beziehung auch daran, dass er Leonardo zu seinem Haupterben einsetzte, als er 1507 kinderlos starb. Wie zuvor beim Tod des Vaters wurde auch dieses Erbe von Leonardos Geschwistern angefochten, doch dieses Mal nutzte Leonardo seine politischen Verbindungen und konnte so seine Ansprüche durchsetzen.

Johannes der Täufer – Leonardo da Vinci

Johannes der Täufer

um 1513-1516
Öl auf Holz, 57 x 69 cm
Paris, Musée du Louvre

Leonardos Tante – Violante

Über Leonardos Tante Violante ist so gut wie nichts bekannt. Sie wurde 1432 in Vinci geboren. Sie war die sechs Jahre jüngere Schwester von Leonardos Vater Ser Piero und vier Jahre älter als ihr Bruder Francesco. Als sie erwachsen war, heiratete sie nach Pistoia, ca. 30 Kilometer nordwestlich von Florenz.

Dass Leonardo sich mehrmals in Pistoia aufhielt gilt heute als wahrscheinlich. Zum einen war er gut mit dem später sehr bekannten Dichter Antonio Cammeli bekannt, der aus Pistoia stammte. Zum anderen hatte die Werkstatt von Leonardos Lehrmeister Verrocchio um 1478 einige größere Aufträge in und um Pistoia.

Aufgrund der örtlichen Nähe ist es vorstellbar, dass Leonardo seine Tante dort hat besuchen können. Allerdings existieren keine Quellen, die aufzeigen, dass Leonardo mit seiner Tante in Kontakt stand.

 

Leonardos Geschwister

Leonardo hatte über seinen Vater und seine Mutter zusammen 17 Halbgeschwister. Zwölf über den Vater und fünf weitere über die Mutter.

Die Geschwister mütterlicherseits sind aus einer Steuerklärung von 1487 bekannt. Dort werden die Haushaltsmitglieder von Antonio Buti aufgeführt, dem Mann von Leonardos mutmaßlicher Mutter Caterina. Neben dem Namen wird das Alter angegeben, so dass sich das Geburtsjahr annähernd bestimmen lässt. Bei Sandra und Francesco wurden vom Schreiber Informationen ergänzt. Auffällig ist, dass 1487 alle Töchter Caterinas, obwohl bereits zwischen 24 und 33 Jahre alt, unverheiratet waren und offenbar noch zu Hause lebten.

Von Caterinas Mann Antonio Buti

  • Piera (um *1454)
  • Maria (*1457)
  • Lisabetta (*1459)
  • Francesco (*1461), kam durch einen Mauerbrecher in Pisa ums Leben [gemeint ist ein großer Katapult, er war vermutlich Soldat und kam wohl bei der Belagerung von Pisa durch die Republik Florenz ums Leben]
  • Sandra (*1463), sie sagt, sie habe keine Tiere, weder eigene noch fremde

Über Leonardos Beziehung zu den Geschwistern mütterlicherseits ist nichts bekannt.

Die Geschwister väterlicherseits waren

Von Ser Pieros Dritter Ehefrau Margherita

  • Antonio *1476
  • Magdalena *1477
  • Giuliano *1479, Notar, Wortführer beim Streit mit Leonardo um das Erbe des Onkels Francesco
  • Lorenzo *1484
  • Violante *1485
  • Domenico *1486, Wortführer beim Streit mit Leonardo um das Erbe des Vaters Ser Piero, an ihn ist ein Brief Leonardos erhalten, indem er ihm sarkastisch zur Geburt seines Erben gratuliert

Von Ser Pieros vierter Ehefrau Lucrezia

  • Margherita * 1491
  • Benedetto *1492
  • Pandolfo *1494
  • Guglielmo *1496
  • Bartolomeo *1497, Vater des Bildhauers Pierino da Vinci (*1530-1553)
  • Giovanni *1498

Die jeweiligen Todesdaten sind nicht bekannt. Die Geschwister väterlicherseits treten in den erhaltenen Dokumenten häufig im Zusammenhang mit Erbrechtsfragen auf, so dass nicht von einer innigen Geschwisterbeziehung gesprochen werden kann. Erschwerend kommt der große Altersunterschied hinzu. Leonardo war das älteste Kind Ser Pieros. Der zweitälteste, Antonio, war 24 jahre jünger als Leonardo.

Streitfall I: Das Erbe Ser Pieros

Als der gemeinsame Vater 1504 stirbt, wird darüber gestritten, welcher Anteil Leonardo zusteht. Wortführer der Geschwister ist hierbei sein Halbbruder Dominico. Da Leonardo unehelich geboren wurde, können sich die Geschwister durchsetzen und Leonardo im Einklang mit damaligen Recht vom Erbe ausschließen. Leonardo muss darüber sehr verbittert gewesen sein, so schrieb er Domenico zum Anlass der Geburt seines Sohnes einen sarkastischen Brief.

Mein geliebtester Bruder, nur dies, um dir mitzuteilen, dass ich dieser Tage Deine Zeilen erhielt, aus denen ich erfuhr, dass Du einen Erben bekommen hast, was Dir, wie ich vernehme, zur höchsten Freude gereicht. Da ich Dich für klug halte, wie mir andererseits klar ist, dass mir selbst die Klugheit etwas durchaus Fremdes ist, wie sie Dir nahe ist: trotzdem hast Du Dich gefreut, Dir einen stets wachen Feind geschaffen zu haben, der alles daransetzen wird, seine Freiheit zu bekommen, die er ohne Deinen Tod nicht haben wird.

Leonardo da Vinci an den Halbbruder Domenico anlässlich der Geburt des Sohnes

Streitfall II: Das Erbe Francescos – Die Güter in Vinci

Als Leonardos Onkel Francesco 1507 stirbt, versuchen die Geschwister unter Führung des Halbbruders Giuliano auch hier ihn auszuschließen. Doch diesmal stellt sich der Fall anders dar. Leonardo wurde explizit im Testament als Haupterbe für Francescos Anwesen in Vinci eingesetzt und damit hatte er das Recht auf seiner Seite. Doch die Stadtregierung von Florenz tendierte dazu, den Geschwistern Recht zu geben. Da die einflussreiche Familie Medici zwischen 1494 und 1512 aus der Stadt vertrieben worden war, fehlten Leonardo dort wichtige politische Verbündete.

Leonardo holt die Franzosen zu Hilfe

Die Franzosen sind zu dieser Zeit durch einige Eroberungen in Norditalien sehr bedeutend geworden. Unter anderem waren sie 1494 in Florenz einmarschiert und erst nach einer Lösegeldzahlung und Gebietsabtretungen weitergezogen. Auf einem erneuten Kriegszug unter einem neuen König eroberten sie 1499 Mailand, wo Leonardo seit fast 20 Jahren lebte. Der Herzog von Mailand floh und Leonardo verlor damit seinen langjährigen Mäzen. Allerdings konnte er schnell enge persönliche Kontakte zu den Franzosen knüpfen.

Der französische Königshof bewunderte Leonardos Schaffen, und wollte sogar das soeben vollendete Abendmahl in Mailand abtragen lassen und nach Frankreich verbringen. Neun Jahre später führte diese Bewunderung dazu, dass Leonardo ab 1508 zunächst für den französischen Statthalter in Mailand und später dann direkt für den französischen König tätig werden sollte.

Aufgrund dieser Sympathien konnte Leonardo 1507 den französischen Statthalter von Mailand und sogar den französischen König selbst bitten, persönlich für ihn in Florenz zu intervenieren und das ihm drohende Unrecht zu seinen Gunsten abzuwenden, indem das Testament als gültig anerkannt werden sollte. Die fürsprechenden Briefe der Franzosen an die Florentiner Stadtregierung sind erhalten geblieben. Die Republik Florenz war angesichts zahlreicher Abwehrkämpfe gegen rivalisierende Mächte auf das Wohlwollen Frankreichs angewiesen und wollte diplomatische Verstimmungen vermeiden. Das Testament wurde in Leonardos Sinne anerkannt.

An unsere teuren, großen Freunde, Allierten und Verbündeten, den Gonfaloniere und die Prioren von Florenz.

Ludwig von Gottes Gnaden
König von Frankreich,
Herzog von Mailand,
Herr von Genua.

Teure, große Freunde! Man hat uns benachrichtigt, dass unser lieber, innigst geliebter Leonardo da Vinci, unser Maler und Ingenieur, in Florenz einen Zwist und einen bevorstehenden Prozess gegen seine Brüder hat wegen einer Erbschaft, die ihm verweigert wird. Und weil er sich nicht ohne Weiteres diesem Prozess widmen kann, wegen der fortwährenden Beschäftigung, die er bei unserer und um unsere Person hat, wünschen wir ganz besonders, dass diesem Prozess auf die beste und kürzeste Weise, die nach dem Gesetz möglich ist, ein Ende gemacht werde. Aus diesem Grund mussten wir euch unbedingt schreiben, und wir bitten euch, ihr möget durch das beste und kürzeste Verfahren, welches das Gesetz vorsieht, diesen Prozess und diesen Zwist beenden. Damit werdet ihr uns einen höchst angenehmen Gefallen erweisen.

Teuerste, große Freunde, möge euch unser Herr beschützen.

Ludwig XII., König von Frankreich an die Stadtregierung von Florenz, 26. Juli 1507

Trotz der Erbstreitigkeiten scheinen sich die Geschwister nach einigen Jahre wieder näher gekommen zu sein. Giuliano, der Notar, der beim Streit um das Erbe des Onkels Francesco Wortführer war, hielt sich aus beruflichen Gründen 1514 in Rom auf. Ihm war ein Honorar verwehrt worden, dass er nun einklagte. Leonardo war zu dieser Zeit Mitglied des päpstlichen Hofes in Rom. Es existiert ein Brief Leonardos an einen Berater des Papstes, indem er sich darüber beschwert, dass die Honorarforderung seines Bruders Giuliano noch nicht bearbeitet wurde, obwohl sich Leonardo persönlich bereits bei mehreren Behörden in dieser Sache für ihn eingesetzt hatte und es sich um eine verhältnismäßig kleine Summe handelt. Ob die Angelegenheit zugunsten von Giuliano ausging, ist nicht überliefert.

Das Erbe Leonardos: Das Gold in Florenz

Leonardo bestimmte in seinem Testament vom 23. April 1519, eine Woche vor seinem Tod, dass seine Brüder zusammen 400 Dukaten bekommen sollten. Dukaten waren Münzen aus reinem Gold mit einem Gewicht von ca. 3,5g, insgesamt also ca. 1,4kg. Das war das Kontoguthaben bei seiner Bank in Florenz.

Doch eine frühe Quelle, der Codex Magliabechiano, berichtet: "Seinen Brüdern hinterließ er 400 Dukaten, die als sein Guthaben im Hospital von Santa Maria Nuova lagen. Nach seinem Tod wurden dort aber nur 300 Dukaten gefunden". Der anonyme Autor des Codex Magliabechiano wird von einigen Kunsthistorikern mit dem Leonardo Biograf Vasari gleich gesetzt. Vasari neigte zur Legendenbildung, viele seiner Aussagen sind Hörensagen und so kann nicht mit Gewissheit gesagt werden, ob die Brüder tatsächlich weniger vorfanden, als ihnen im Testament zugesichert wurde.

Die Brüder Leonardos erbten nicht Leonardos gesamten Nachlass. Er bestimmte daneben seine beiden Schüler Salai und Francesco Melzi, sowie den Diener Vilanis zu Miterben. Auch sie erbten Grundstücke und Geldwerte. Francesco Melzi sollte das Testament vollstrecken.

Angesichts der vorangegangenen Erbstreitigkeiten verwundert Leonardos Großzügigkeit gegenüber den Geschwistern. So kann die Erbschaft sicher auch als Mahnung verstanden werden, sich innerhalb einer Familie und angesichts des Todes eines nahen Verwandten nicht über Erbrechtsfragen zu verwerfen, wie es bei ihnen in der Vergangenheit geschehen ist.

Das Abendmahl – Leonardo da Vinci

Das letzte Abendmahl

um 1495-1498
Öl auf Tempera auf Putz, 904 x 422cm
Mailand, Santa Maria delle Grazie, Refektorium

Leonardo hatte väterlicherseits 12 Geschwister, 10 Brüder und 2 Schwestern. Er selbst war mit großem Abstand der Älteste (24 Jahre zum Zweitgeborenen).

Quellen

Frank Zöllner, Leonardo, Taschen (2019)

Martin Kemp, Leonardo, C.H. Beck (2008)

Charles Niccholl, Leonardo da Vinci: Die Biographie, Fischer (2019)

Besonders empfehlenswert

Marianne Schneider, Das große Leonardo Buch – Sein Leben und Werk in Zeugnissen, Selbstzeugnissen und Dokumenten, Schirmer/ Mosel (2019)

Nobody is perfect - das gilt auch für nicofranz.art!

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