
Das letzte Abendmahl
Das letzte Abendmahl ist das einzige erhalten gebliebene Wandgemälde des Universalgenies Leonardo da Vinci. Es wurde um 1498 vollendet und zeigt die Szene in der Jesus seinen Jüngern verkündet, dass einer von ihnen ihn verraten wird. Das Gemälde befindet sich im ehemaligen Speisesaal der Mönche des Klosters Santa Maria delle Grazie in Mailand.
Als die Stunde gekommen war, setzte er sich mit den Aposteln zu Tisch. Und er sagte zu ihnen: Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes. Und er nahm einen Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt diesen und teilt ihn untereinander! Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt. Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird. Doch siehe, die Hand dessen, der mich ausliefert, ist mit mir am Tisch. Der Menschensohn muss zwar den Weg gehen, der ihm bestimmt ist. Aber weh dem Menschen, durch den er ausgeliefert wird! Da fragte einer den andern, wer von ihnen das wohl sei, der dies tun werde.
Bildkomposition
Die gängigen Erklärungsversuche zu dem Gemälde beziehen sich meist auf die Personengruppe im Vordergrund. Leonardo hat jedoch den Hintergrund der Figurengruppen durch geometrische Symbolik betont, ohne deren Betrachtung das Werk nicht erklärt werden kann. Vor diesem Hintergrund muss erwähnt werden, dass Leonardo die Figuren – untypisch für seine Entwürfe – in einem architektonischen Rahmen zeigt. Abgesehen von der Mona Lisa, die soeben noch erkennbar in einer Loggia sitzt, befinden sich die Figuren Leonardos sonst vor einem schwarzen Hintergrund oder in einer Landschaft. Von allen eigenhändigen und zweifelsfrei echten Gemälden Leonardos, zeigt er nur im Abendmahlgemälde einen architektonischen Raum im Hintergrund. Mit ca. 9m Breite ist es mit Abstand Leonardos größtes Gemälde.
Hinweis
Die Analyse der Bildkomposition ist noch nicht für Bildschirme unter 1200px Breite optimiert. Auch im Safari Browser kommt es teilweise zu Fehlern. Wir werden die Fehler zeitnah korrigieren.


Wer kein Mathematiker ist, der möge meine Prinzipien nicht lesen.
madonna
dem Hermelin
der Täufer










Santa Maria delle Grazie
Das letzte Abendmahl befindet sich in der Kirche Santa Maria delle Grazie in Mailand. Die Kirche ist nur wenige hundert Meter vom Castello Sforzesca entfernt, dem ehemaligen Stammsitz der Mailänder Herrscherfamilie Sforza. Ludovico Sforzas Vater Francesco hatte den ursprünglichen Bau der Kirche mit angrenzendem Kloster beauftragt. Sein Sohn Ludovico ließ nur zwei Jahre nach der Fertigstellung große Teile der Kirche um den Altar herum abreißen und beauftragte 1492 den späteren Baumeister des Petersdoms, Donato Bramante, mit der Errichtung eines monumentalen Zentralbaus über dem Altar. Ludovico Sforza plante die Kirche zukünftig als Grabkirche der Sforzas zu nutzen.

Im Hintergrund der von Bramante entworfene Zentralbau, davor das Kirchenschiff des ursprünglichen Entwurfs. Links vom Haupteingang befindet sich direkt angrenzend der Eingang zum Klostergebäude mit dem Speisesaal der Mönche (Refektorium)

Die Gemälde im Speisesaal
Zwei Jahre nach Beginn der Bauarbeiten zum neuen Kuppelbau der Kirche begann Leonardo 1494 mit dem Abendmahlgemälde im Speisesaal des direkt angrenzenden Klosters. Ebenfalls im Speisesaal, auf der gegenüberliegenden Seite des Abendmahls, befindet sich ein zeitgleich entstandenes Gemälde mit der Kreuzigungsszene.

In dieser Darstellung wird deutlich, dass das Gemälde sehr genau in die umgebende Architektur der Kirche eingearbeitet wurde. Im unteren Teil des Gemäldes sind die Umrisse einer Tür zu erkennen, die 1652 in die Wand geschlagen und später wieder zugemauert wurde. Dabei wurden Teile des Gemäldes zerstört

Das zeitgleich entstandene Gemälde befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite des Raums. Die T-förmigen drei Kreuze an die Jesus und die Schächer geschlagen wurden, werden Antoniuskreuz genannt. Nach dem ebenso geformten 19. griechischen Buchstaben wird das Antoniuskreuz auch "Tau"-Kreuz genannt, seltener "ägyptisches Kreuz", aufgrund der Ähnlichkeit mit dem altägyptischen Anch Symbol. Das Taukreuz ist das Symbol des Franziskanerordens, der besonders zur Zeit der Renaissance in Italien sehr populär war.
Im direkten Vergleich mit einem zeitgenössischen Maler wird deutlich, wie revolutionär Leonardos Denkweise zu Bildkonzepten war, vor allem in Anbetracht der Herausforderungen durch die Einbindung der umgebenden Architektur
Raub, Fremdnutzung und Beinahe-Zerstörung
Da das Gemälde direkt auf die Kirchenwände gemalt wurde (und damit unbeweglich), ist die Geschichte des Gemäldes eng mit der Geschichte von Mailand verbunden.
- Als Mailand 1499, also kurz nach der Fertigstellung des Abendmahls von den Franzosen erobert wurde, plante der französische König das Gemälde mitsamt der Wand nach Frankreich zu verbringen. Wegen der Risiken für das Gemälde wurde der Plan aufgegeben
- Als Napoleon Bonaparte, zu der Zeit noch französischer General, 1796 die französischen Revolutionstruppen nach Italien führte, nutzten seine Soldaten bei ihrer Ankunft den Speisesaal des Klosters als Pferdestall
- Während des zweiten Weltkrieges wurde die Innenstadt von Mailand bombardiert, wobei Santa Maria delle Grazie 1943 schwer beschädigt wurde. Leonardos Abendmahl ist dabei nur knapp der vollständigen Zerstörung entkommen

Am rechten unteren Bildrand das Refektorium:
Die Decke und eine der Seitenwände sind eingestürzt. Montorfanos Kreuzigungsgemälde auf der gegenüberliegenden Seite des Abendmahls befindet sich unter freiem Himmel (rechter Bildrand)


Detailansichten
Leonardos Abendmahlgemälde wird durchgehend restauriert. Es wird geschätzt, das heute nur noch 20 Prozent der ursprünglichen Farbpigmente aus der Zeit Leonardos stammen. Da es möglich ist, dass der fortwährende Zerfall des Gemäldes nicht aufgehalten werden kann, wurde beschlossen den gegenwärtigen Zustand des Gemäldes zu digitalisieren und so der Nachwelt zu erhalten. Die Arbeit wurde von der auf hochauflösende Digitalisate spezialisierten Firma Haltadefinizione durchgeführt und erlaubt einen genauen Blick bis in den Millimeterbereich. Das ursprünglich kostenlos einsehbare Digitalisat ist heute leider mit Wasserzeichen versehen, die jedoch durch Zahlung einer Gebühr entfernt werden können. Das zuständige Museum erhofft sich dadurch, den Besucherandrang zu verringern, denn der Besucherstrom stört zum einen das Raumklima, zum anderen wirken eingebrachte Atemluft und Staubpartikel schädlich auf das Werk.
Hochaufgelöste Version auf der Website von Haltadefinizione











Zeitgenössische Kopien
Nach seiner Fertigstellung erlangte das Gemälde rasch Weltruhm. Als der französische König es sah, soll er angeordnet haben, Pläne für die Verbringung nach Frankreich zu erstellen. Doch scheiterte das Vorhaben an den baulichen Gegegebenheiten, denn es wäre dabei wohl zerstört worden. Das Abendmahl ist das erste Gemälde aus der Werkstatt Leonardos, dass aufgrund der großen Nachfrage durch seine Schüler mehrfach kopiert und zu hohen Preisen verkauft wurde. Obwohl die Kopien vor allem in Bezug auf die Darstellung der Architekur nicht originalgetreu sind, lassen sie Rückschlüsse auf den ursprünglichen Zustand des Gemäldes zu. So sind z.B. Blumenmuster auf den großen Wandvorhängen zu sehen und auch die Position der Füße des Jesus ist dadurch bekannt, ebenso die Anzahl der Schmucklinien auf dem Boden.


Die originalgetreueste Kopie des Leonardo Gemäldes ist auch in etwa gleich groß und wurde vermutlich von Leonardos bedeutendsten Schüler gemalt, Andrea Solari.
Wichtigste Übereinstimmungen sind die unterschiedlich hohen Fenster auf der linken und rechten Seite, sowie die Anzahl der Schmucklinien auf dem Boden

Gianpietrino war ein Schüler Leonardos und hatte an dem Originalgemälde mitgearbeitet. Die in der Höhe stark reduzierte Kopie betont vielmehr die Figurengruppe und wurde nach England verkauft

Marco d’Oggiono war ein Schüler Leonardos und hatte an dem Originalgemälde mitgearbeitet. In dieser Version wurde die Innenarchitektur stark verändert, u.a. ist die Türkrone nun dreieckig und es gibt zahlreiche Säulen, die jedoch nicht bis zur Decke reichen. Dadurch entsteht nach oben hin ein auffälliger Zwischenraum. Die Wände sind ansonsten kahl, denn es fehlen die blumenbemusterten Wandvorhänge des Originals. Außerdem fehlen die Schmucklinien auf dem Boden
Fazit zu den zeitgenössischen Kopien
Die Kopien aus der Werkstatt Leonardos scheinen einem Konzept zu folgen, denn ihre Änderungen gegenüber dem Original sind nicht willkürlich.
- Leonardos begabtester Malerschüler Andrea Solari fertigte eine weitestgehend exakte Kopie an
- Die in der Höhe minimierte Kopie von Gianpietrino betont die Figurengruppe und reduziert die Bedeutung der gezeigten Architektur auf den Bildhintergrund
- Marco d’Oggionos Kopie hingegen fällt dadurch auf, dass sie die Architektur in dem Gemälde betont, indem sie stark von der des Originals abweicht
Es muss festgestellt werden, dass derartige Veränderungen nicht ohne Rücksprache mit Leonardo selbst vorgenommen werden durften, der als Leiter seiner Künstlerwerkstatt seine Schüler mit dem Anfertigen einer Kopie beauftragte. Auf diese Art wird erneut deutlich, dass eine inhaltliche Zweiteilung des Gemäldes beabsichtigt scheint. Zum einen zeigt das Gemälde eine Figurengruppe im Bildvordergrund, die von den meisten Betrachtenden als eigentlicher Bildinhalt erkannt wird. Zum anderen geben die von Leonardo autorisierten Kopien Anlass zu der Vermutung, dass er auf einer zweiten Ebene auf den Bildhintergrund aufmerksam machen lassen wollte. Die komplexen geometrischen Beziehungen in dem Bereich bestätigen diese Vermutung. In dieser Hinsicht ist das letzte Abendmahl Leonardos kunstvollstes Gemälde.
Der starke Verfall des Gemäldes
Bei der Betrachtung von Leonardos Version des Abendmahls muss der starke Verfall des Gemäldes berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Gemälden, die um ein Vielfaches kleiner waren, hat Leonardo das Gemälde nicht auf eine Holztafel gemalt, sondern direkt auf den Wandputz eines Innenraums in einer Kirche. Da Leonardo nur mit Ölfarben malen konnte, um die feinen Schattierungen und Farbübergänge darstellen zu können, diese aber nicht gut auf dem Untergrund haften und daher mit der Zeit abfallen mussten, war das Gemälde bald sehr stark beschädigt. So berichten 20 Jahre nach seiner Entstehung Zeitgenossen, dass das Gemälde bereits zerfalle (de Beatis), und 50 Jahre später war das Gemälde bereits "fleckig" (Vasari).



Ist das Abendmahl ein ketzerisches Werk?
Fast wirkt es, als ob Leonardo, der viel über die Haltbarmachung von Gemälden forschte, gerade bei seinem flächenmäßig mit Abstand größtem Werk und ausgerechnet bei einer Jesusdarstellung nicht diesen Ewigkeitsanspruch erfüllen wollte. Diese beinahe ketzerische Absicht verstärkt sich nach einer Analyse der figuralen Komposition in seinen anderen beiden großformatigen Gemälden, der zuvor entstandenen Felsgrottenmadonna und der Anna selbdritt, die im Anschluss entstand. Beide Gemälde zeigen scheinbar den Jesusknaben, doch ist diese Zuordnung bei genauerer Betrachtung nicht mehr eindeutig. Zumindest die Felsgrottenmadonna galt den Zeitgenossen daher als dermaßen ketzerisch, dass im Verlauf eines 25 Jahre dauernden Gerichtsprozesses eine zweite Version angefertigt werden musste, die die Identifikation der beiden Knaben für gläubige Christen eindeutiger machte.

Die Zeitgenossen empfanden die Verwechselbarkeit des Johannes- mit dem Jesusknaben als ketzerisch. Johannes der Täufer ist der Schutzheilige von Florenz, Leonardos Heimatstadt. Leonardos letztes Gemälde „Johannes der Täufer“ ist ihm gewidmet

Das zentrale Hauptwerk Leonardos entstand zeitlich zwischen den beiden anderen großformatigen und zweifelsfrei echten Gemälden Leonardos

Öl auf Holz, 1,68 × 1,13 m
Die verwendete Symbolik lässt auch hier darauf schließen, dass Leonardo nicht den Jesus-, sondern den Johannesknaben darstellte, der mit dem Lamm spielt, das Jesus symbolisiert. Vermutlich aufgrund der über 25 Jahre andauernden Rechtsstreitigkeiten zur Felsgrottenmadonna sind Leonardos Anspielungen auf den Johannesknaben hier weit subtiler dargestellt
Leonardos anderes Wandgemälde
Es ist auffallend, dass Leonardo nur zwei riesige Wandgemälde ausführte. Neben dem ca. 9m breiten Abendmahl, malte Leonardo das ca. 7m breite Gemälde zu der historischen Schlacht von Anghiari. Dieses Gemälde wurde nicht vollendet. Vermutlich, weil es aufgrund von baulich bedingter Wandnässe nicht gelang, den Putz so trocken zu bekommen, dass er bemalt werden konnte. Das Gemälde ist heute nur aus zeitgenössischen Dokumenten und einigen Studien bekannt.
Es ist bemerkenswert, dass beide Wandgemälde Leonardos Religion und Krieg zum Thema haben – die Themen der Kirche und des Adels – und dass beide Gemälde aufgrund der verwendeten Maltechnik bald zerfallen mussten, bzw. gar nicht erst gemalt werden konnten. Hätte Leonardo eine andere Technik angewendet, z.b. die zu der Zeit stark verbreitete Fresko Malerei, wären die Gemälde heute annähernd so gut erhalten, wie Michelangelos "Jüngstes Gericht" oder Botticellis "Geburt der Venus".
Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen, dass Leonardo ein Bürger der Republik von Florenz war. Das war in jener Zeit eine Besonderheit. Denn nach mittelalterlicher Vorstellung gab es nur drei gesellschaftliche Stände: Adel, Kirche und Bauern (Ständepyramide). Mit dem aufkommenden Bürgertum, dem Leonardo angehörte, entstand zum Ende des Mittelalters ein neuer selbstbewusster Stand, der mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (1776) und der 13 Jahre später folgenden französischen Revolution (1789) das Ende der tradierten Vorherrschaft von Adel und Kirche in Europa einläutete.

Die kleine Holztafel ist vermutlich eine eigenhändige Studie Leonardos

Rubens hat das originale Gemälde nicht gesehen haben können und hat sich vermutlich an der Tavola Doria orientiert

Im selben Raum malte Michelangelo zeitgleich dieses Gemälde, das ebenfalls nicht beendet werden konnte
Die Personen
Die Identifkation der Figuren ist keinesfalls so eindeutig, wie es die populärwissenschaftliche Literatur behauptet. In den Evangelien werden nur wenige der 12 Apostel genauer erwähnt, bzw. mit spezifischen Handlungen in Zusammenhang gebracht. Eindeutig sind lediglich zwei Personen aus der Dreiergruppe zur Rechten des Jesus.
Die sicher identifizierbaren Personen
- Jesus ist klar erkennbar derjenige, der soeben die bestürzenden Worte gesprochen hat ("Einer von euch wird mich ausliefern", joh 13, 21)
- Judas, der Jesus verraten wird, hält einen Geldsack in der Rechten, eine Anspielung auf die 30 Silberlinge, die er als Lohn erhalten wird. Judas war außerdem auch der Finanzverwalter der Gruppe um Jesus (Joh 13, 28)
- der aufbrausende Petrus, hält ein Messer in der rechten Hand. Er wird bei der auf das Abendmahl folgenden Festnahme des Jesus einem Gegner das Ohr abschlagen (Joh 18,10)
- Johannes wird traditionell an der Seite direkt neben Jesus dargestellt, meist in einer schlafenden Haltung. Dies nimmt Bezug auf die Abendmahlerzählung im Johannesevangelium: "Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu. Es war der, den Jesus liebte" (joh 13,23). Obwohl im Bibeltext der Name dieses Jüngers ungenannt bleibt, wird dieser in der christlichen Ikonographie traditionell mit Johannes gleichgesetzt.
Als Besonderheit der Darstellung gelten die weiblichen Züge, die Leonardo diesem Jünger gab. Dies spielt auf die Tatsache an, dass die Gruppe um Jesus auch von Frauen begleitet wurde, unter ihnen z.B. Maria aus Magdala (Maria Magdalena). Sie bezeugte seine Kreuzigung und seine Auferstehung (Mk 15,47, bzw. joh 20,1).




Die übrigen Personen
Die übrigen Figuren können nicht sicher identifiziert werden. Sie haben keine eindeutigen Attribute, da die Bibel zu wenige (bzw. keine) weiteren Informationen über diese Apostel bereithält. Teilweise werden sie dort lediglich mit Namen erwähnt. Insofern ist es höchst unseriös, den Versuch zu unternehmen, den anderen Figuren in dem Gemälde Namen zu geben. Es muss also betont werden, dass jede Interpretation der Figurengruppe, die über die abwechslungsreiche Gestaltung hinaus eine biblische Bedeutung impliziert, an der schlechten Quellenlage in der Bibel selbst scheitern muss. Stattdessen hat Leonardo die Mimik und Gestik der Figuren in ihrer Reaktion so abwechslungsreich gestaltet, dass sie ein möglichst breites Spektrum denkbarer Reaktionen auf die Worte des Jesus abbilden.




Das Spiel der Hände
Erwähnenswert ist der Rhythmus der Hände, die sowohl von der linken, als auch von der rechten Seite her auf Jesus zulaufen. Zumindest auf der linken Seite haben sie eine humoristische Funktion.




Der Zeigefinger in Leonardo Gemälden
Leonardo führte mit dem auf nach oben (in den Himmel, zu Gott bzw. auf Jesus) deutenden Zeigefinger eine neue Ikonographie zu Johannes dem Täufer ein, indem er ihn in seinem letzten Gemälde "Johannes der Täufer" mit einem nach oben deutenden Zeigefinger in Zusammenhang brachte.
Johannes der Täufer ist ein asketischer Prophet im neuen Testament, der das kurz bevorstehende Erscheinen von Jesus Christus bevorsah und ihn später auch taufte. Er wurde von den Gläubigen teilweise als Messias verehrt, sagte aber von sich selbst, er sei nicht wert, dem nach ihm kommenden (Jesus) die Schuhriemen zu lösen. Johannes der Täufer hat somit eine vorbereitende Funktion. Er ist der Schutzheilige von Florenz, der Heimatstadt Leonardos.

(Erstes zweifelsfrei echtes und vollendetes Gemälde Leonardos)
Die Handhaltung der Madonna ist identisch mit der des Jesus im Abendmahl, nur ist sie spiegelverkehrt. Die darunter liegende Hand deutet mit dem Zeigefinger auf Johannes den Täufer

(Größtes der zweifelsfrei echten und vollendeten Gemälde Leonardos)
der erhobene Zeigefinger der Figur direkt rechts von Jesus, Im Vergleich zur Felsgrottenmadonna wurde die Hand um 90° im Uhrzeigersinn, sowie um etwa 180° um die z-Achse gedreht

(Letztes zweifelsfrei echtes und vollendetes Gemälde Leonardos)
Leonardos letztes Gemälde zeigt ebenfalls den markanten Zeigefinger. Wie im Abendmahl deutet er nach oben, jedoch nicht auf das Kreuz. Im Vergleich zum Abendmahl wurde die Hand erneut um etwa 180° entlang der z-Achse gedreht, so dass sie wieder wie in der Felsgrottenmadonna erscheint, jedoch um 90° im Uhrzeigersinn gedreht
Die Hände und der Verweis auf die Architektur des Petersdoms
Vor dem Hintergrund von Leonardos einzigartiger Malkunst wird häufig übersehen, dass er zu seiner Zeit als bester Architekt der Welt galt. Er begnügte sich dabei mit dem geistigen Entwurf. Denn große Bauwerke sind oft sehr langwierige Projekte, die den ausführenden Architekten weniger Raum für andere Beschäftigungen lassen. Außerdem sind Architekten stets auf potente Geldgeber angewiesen, auf die Leonardo sich nicht verlassen konnte (oder wollte). Zahlreiche Skizzen Leonardos weisen darauf hin, dass er an den Planungen zum Bau des Petersdoms beteiligt war. Auch der Entwurf für das schönste der berühmten Loire-Schlösser in Frankreich wird Leonardo zugeschrieben, der für das Schloss Chambord.

Raffael war gut mit Leonardo bekannt und bewunderte ihn. Er hat ihn hier als Platon gemalt (linke der beiden zentralen Figuren). Platon wird ebenfalls mit dem nach oben deutenden Zeigefinger dargestellt. Die Architektur im Hintergrund zeigt die teils idealisierte Baustelle des Petersdoms im damaligen Zustand, mit der damals noch fehlenden Kuppel

Der nach oben deutende Zeigefinger zeigt auch hier auf ein Kuppelgewölbe, das des Speisesaals
Raffels Schule von Athen ist ein Wandgemälde in den damaligen Schlafräumen des Papstes in Rom (Stanzen des Raffael). Die Architektur im Hintergrund zeigt die teils idealisierte Baustelle des Petersdoms im damaligen Zustand. Das markanteste architektonische Merkmal des Petersdoms ist seine Kuppel. Die des antiken Pantheon in Rom war bis 1436 die größte Kuppel der Welt, bis sie von der neugebauten Kathedrale von Florenz übertroffen wurde. Leonardo war als Schüler Verrocchios an den Abschlussarbeiten beteiligt. Die Kuppel des Petersdoms ist etwa 1m kleiner, als die in Florenz. Kuppelbauten galten aufgrund der zahlreichen damit verbundenen Schwierigkeiten bis in das 20. Jh. hinein als die anspruchsvollsten Gebäudetypen. Die Kuppel in Florenz war bis 1873 die größte Kuppel der Welt (für ca. 400 Jahre).
Der Petersdom wurde von Bramante entworfen, der in Raffels Schule von Athen im roten Gewand, vornübergebeugt, im rechten Vordergrund zu sehen ist. Neben ihm sind noch zwei weitere zeitgenössische Künstler identifizierbar, Michelangelo und auch Raffael, der sich selbst in das Gemälde malte. Allen Personen, mit Ausnahme der zentralen Figur des Platon (Leonardo) ist gemein, dass sie Baumeister am Petersdom waren.
Der nach oben deutende Zeigefinger Platons, die kompositorische Bedeutung der Hintergrundarchitektur und Donato Bramante sind das verbindene Element von Leonardos Abendmahl und Raffaels Schule von Athen. Bramante unterbrach 1499 die Arbeiten an der Kuppel für die Santa Maria delle Grazie, wo sich das Abendmahl befindet und ging nach Rom, um dort den Bau des Petersdoms zu beginnen. Leonardo hatte im Jahr zuvor, nach etwa dreijähriger Arbeit, das Abendmahl in der Kirche Santa Maria delle Grazie beendet. Der erhobene Zeigefinger in Leonardos Abendmahl und in Raffaels Schule von Athen spielt daher sehr wahrscheinlich auf die Beteiligung Leonardos am Entwurf des Peterdoms an. Es gilt in der Architekturgeschichte als unstrittig, dass Leonardos architekturtheoretische Überlegungen Bramantes Entwürfe vorbereiteten, bzw. stark beeinflussten.

Die Darstellung des Platon ist Leonardo nachempfunden. Er hält den Zeigefinger in der Art einer Johannes der Täufer Darstellung nach oben

Leonardos frühe Entwürfe für eine Kathedrale zeigen eine große Ähnlichkeit mit dem heutigen Petersdom. Die Bauzeit betrug ca. 120 Jahre

Leonardos Skizzen zeigen eine große Ähnlichkeit mit dem Petersdom. Sie werden auf ca. 1480 datiert, also 20 Jahre vor dem Baubeginn

Donato Bramante war der ursprüngliche Architekt des Petersdoms. Beide kannten sich von ihrer gemeinsamen Zeit in Mailand. Leonardos Architekturtheorie hatte auch auf ihn einen großen Einfluss
Mystik des Abendmahlgemäldes
Da Leonardos Abendmahl die heute berühmteste Jesus Darstellung ist, und die Rätselhaftigkeit von Leonardos Werken legendär ist, gibt es zahlreiche Hypothesen zu einer verborgenen Botschaft in dem Gemälde.
Der Tisch
coming soon
Die Kammer
coming soon
Downloads
Quellen
Website des ausstellenden Museums: Santa Maria delle Grazie, Mailand
Frank Zöllner, Leonardo, Taschen (2019)
Martin Kemp, Leonardo, C.H. Beck (2008)
Charles Niccholl, Leonardo da Vinci: Die Biographie, Fischer (2019)
Johannes Itten, Bildanalysen, Ravensburger (1988)
Die Bibel, Einheitsübersetzung, Altes und Neues Testament, Pattloch Verlag (1992)
Euklid, Die Elemente, Verlag Europa Lehrmittel (2015)
Luca Pacioli, Divina Proportione, Die Lehre vom goldenen Schnitt, Forgotten Books (2018)
Stephen Hawking, Das Universum in der Nussschale, Hoffmann und Campe (2001)
Besonders empfehlenswert
Marianne Schneider, Das große Leonardo Buch – Sein Leben und Werk in Zeugnissen, Selbstzeugnissen und Dokumenten, Schirmer/ Mosel (2019)
Leonardo da Vinci, Schriften zur Malerei und sämtliche Gemälde, Schirmer/ Mosel (2011)
Nobody is perfect - das gilt auch für nicofranz.art!
Alle Hinweise zu Fehlern und Korrekturen nehmen wir mit Dank entgegen. Solltest Du inhaltliche Fehler auf dieser Seite finden, lass es uns gerne wissen.