Wie starb Leonardo da Vinci?
Leonardo da Vinci starb am 02.05.1519 im Alter von 67 Jahren auf Schloss Cloux, Frankreich. Es wird vermutet, er sei an einem Schlaganfall gestorben, doch die tatsächliche Todesursache ist unbekannt. Sein Tod kam nicht überraschend, denn er setzte drei Wochen zuvor sein Testament auf.
Wie wurde Leonardo beerdigt?
Leonardo legte in seinem Testament fest, wie er beerdigt werden wollte. Am Tag der Beerdigung wurden in den vier Kirchen von Amboise drei große und dreißig stille Messen gehalten. Der Trauerzug führte von Leonardos Schloss in Cloux zum Friedhof der Kirche Saint-Florentin im Schloss von Amboise. Leonardos Sarg wurde von den Pfarrern der Kirche Saint-Florentin getragen. Begleitet wurde er von Geistlichen der vier Kirchen, ebenso von 60 Armen, die je eine große Kerze trugen. Die 60 Kerzen wurden dann auf die vier Kirchen verteilt.
Wo ist Leonardo da Vinci begraben?
Leonardo da Vinci wurde im Kreuzgang der Kirche Saint-Florentin beigesetzt. Das Grab wurde in den Hugenottenkriegen (1562-1598) zerstört. Leonardos Überreste galten seitdem als verschollen. Bei späteren Grabungsarbeiten auf dem Gelände des Schlosses wurden Gebeine entdeckt, die für die Überreste Leonardos gehalten wurden. Diese wurden in die Hubertuskapelle von Schloss Amboise umgebettet, wo sich heute das angenommene Grab Leonardos befindet.
Wer erbte Leonardos Besitz?
Leonardos beachtliches Vermögen wurde unter seinen Halbbrüdern, den beiden Schülern Francesco Melzi und Salai, sowie seinem Diener Vilanis und seiner Magd aufgeteilt. Sie erbten Gold, Grundstücke, Gerätschaften, Möbel und Kleider. Die Gemälde aus Leonardos Besitz gingen vermutlich an Salai und nach seinem Tod an den französischen König. Leonardos Notizbücher gingen an Francesco Melzi.
Leonardos letzte Lebensjahre
Leonardo in Frankreich
Leonardo hielt sich zwischen 1513 und 1516 am Hof des Papstes in Rom auf. Nach dem überraschenden Tod von Leonardos Gönner Giuliano di Lorenzo de’ Medici im März 1516 (der Bruder des Papstes), folgte Leonardo im Sommer 1516 einer Einladung des französischen Königs und ging mit seinen Schülern Francesco Melzi und Salai nach Frankreich, zum königlichen Hof in Amboise. Leonardo verbrachte dort die letzten drei Jahre seines Lebens.
Der Hauptsitz des Königs war ein Schloss im nordfranzösischen Amboise, ca. 200km südwestlich von Paris. Der König überließ Leonardo ein Schloss in der benachbarten Ortschaft Cloux, nur 500m entfernt. Beide sind über einen Tunnel miteinander verbunden. Diesen Tunnel soll der König für private Gespräche mit Leonardo genutzt haben.
Leonardo war am französischen Hof hochangesehen und bekam als "Maler des Königs'" dasselbe Gehalt, wie der höchste königliche Beamte (1000 Dukaten jährlich). Das war zwar weniger als Leonardo in Mailand erhielt (2000 Dukaten), doch das hatte vermutlich hofpolitische Gründe. Einem Ausländer, noch dazu einem Maler, also nach damaligen Verständnis einem Handwerker, das höchste Gehalt zu zahlen, hätte vermutlich zu Unruhe am Hof geführt. Vermutlich hat Leonardo als Privileg das Schloß zur Verfügung gestellt bekommen. Das Schloß in dem Leonardo lebte, ist immer noch erhalten und kann besucht werden.
Leonardos Aufgaben am Hof
Leonardos Aufgaben am Hof deckten sich mit seinen Aufgaben in Mailand. So wirkte er als kreativer Kopf für phantastische Ideen zu öffentlichen Anlässen und entwarf z.B. Hebebühnen für Theaterkulissen. Das berühmte Paradiesfest, dass er mehr als 20 Jahre zuvor für den Mailänder Hof veranstaltete, hat er auf Bitten des französischen Königs erneut aufgeführt. Außerdem scheint Leonardo in seinen letzten Lebensjahren vermehrt als Architekt tätig gewesen zu sein. So machte er Pläne für einen königlichen Palast in Romorantin und entwarf das prachtvolle Schloss Chambord, das aber erst nach seinem Tod realisiert wurde. Weiterhin soll er ein Kanalisationsprojekt in Sologne betreut haben. Daneben hat Leonardo an einigen seiner berühmten Gemälde weitergearbeitet. Aus de Beatis Reisebericht von 1517 wird gefolgert, dass Leonardo in Cloux folgende Gemälde bei sich hatte: La Belle Ferronière, Anna Selbdritt, Mona Lisa und Johannes der Täufer. Allesamt Gemälde, die sich auch heute noch in Frankreich befinden (Louvre Museum, Paris).

@photographed by Léonard de Serre, 2011, creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)
Der letzte Zeitzeugenbericht
Es wird vermutet, dass Leonardo ab 1516 eine Reihe von Schlaganfällen gehabt habe. Dadurch soll seine rechte Seite gelähmt gewesen sein und er soll nicht mehr gemalt haben können. Darin liegt auch die Ursache, dass seine späten Werke maximal bis 1516 datiert werden, obwohl Leonardo noch bis 1519 lebte.
Wer war Antonio de Beatis?
Wie vieles in der Leonardo Literatur beruht auch die Vermutung zu Leonardos Schlaganfällen auf einer freien Interpration der Aussage eines Zeitzeugen, Antonio de Beatis, Schreiber des Kardinals Luigi d’Aragona. Kardinal Luigi d’Aragona war ein italienischer Hochadeliger – er war eng mit dem König von Neapel verwandt – und Kardinal der katholischen Kirche. Er unternahm 1517-1518 eine großangelegte diplomatische Reise durch Westeuropa. Er ließ dabei durch seinen Schreiber Antonio de Beatis ein Reisetagebuch führen. Dieses Reisetagebuch ist die letzte Quelle, die über den noch lebenden Leonardo berichtet.
Wie kommt es zu der Vermutung Leonardo hätte einen Schlaganfall gehabt?
Der Kardinal Luigi d’Aragona besuchte den französischen König Franz I. am 10.10.1517 Amboise in Frankreich, dem damaligen Sitz des königlichen Hofes. Leonardos Schloss befand sich nur 500m entfernt. Der Kardinal besuchte Leonardo dort und sein Schreiber machte einen kurzen Eintrag zu dem Besuch. Er berichtet von einem "greisen Leonardo da Vinci" (Leonardo war gerade erst 65): "leider kann man von dem Meister nichts mehr erwarten, denn seine Rechte ist gelähmt". Mehr notierte er dazu nicht.
Aus dem wenigen bildete sich in der Kunstgeschichte die Legende, Leonardos vorgebliche Lähmung hätte einen Schlaganfall zur Ursache, die dann von nachfolgenden Autoren einfach übernommen wurde. Darauf aufbauend kommt es bis in die Gegenwart hinein zu immer wilderen Spekulationen über Leonardos angebliche Alterserkrankungen.
Leonardo war Linkshänder
Dabei wird übersehen, dass Leonardo Linkshänder war. Dadurch bewegte er auffälligerweise die rechte Hand seltener, so dass sie auf Fremde wie gelähmt erscheinen musste. Vor allem, wenn ihr Besuch nur sehr kurz war. Es ist daher sehr fraglich, ob Leonardo tatsächlich an einem Schlaganfall starb. Tatsache ist, dass es keine Quellen gibt, die auf die Todesursache Leonardos eingehen.
Der Originaltext aus Antonio de Beatis Reisebericht
"In einem der Bezirke gingen mein Herr und der Rest von uns zu dem Florentiner Leonardo Vinci, mehr als 70 Jahre alt [hier irrt der Schreiber, Leonardo war zu dem Zeitpunkt 65 jahre alt], einem hervorragenden Maler unserer Zeit, der seiner illustren Lordschaft drei Gemälde zeigte: eines von einer gewissen Florentinerin [Mona Lisa], ein sehr schönes Gemälde, das auf Wunsch des Magnifico Giuliano de Medici angefertigt wurde [Bruder vom amtierenden Papst Leo X. und ein Jahr zuvor jung verstorben], das andere von einem jungen Johannes dem Täufer und eines von der Madonna und ihrem Sohn, die in den Schoß der heiligen Anna gelegt werden [Anna Selbdritt], alles sehr perfekt, auch wenn wir wegen einer gewissen Lähmung auf der rechten Seite nichts Gutes mehr von ihm erwarten können.
Er hat einen Mailänder gut ausgebildet, der seine Sache sehr gut macht [Francesco Melzi oder Salai]. Und obwohl der besagte Sir Leonardo nicht mit der gewohnten Süße malen kann, kann er Zeichnungen anfertigen und andere unterrichten. Dieser Herr hat die Anatomie mit der Malerei behandelt, sowohl der Gliedmaßen als auch der Muskeln, Nerven, Venen, Gelenke, Eingeweide und dessen, was über die Körper von Männern und Frauen gesagt werden kann, in einer Art und Weise, wie es noch kein anderer Mensch getan hat und die wir mit eigenen Augen gesehen haben; und schon erzählte er uns, dass er die Anatomie von mehr als 30 Körpern von Männern und Frauen aller Altersgruppen gemacht hatte.
Er hat auch von der Natur des Wassers, von verschiedenen Maschinen und anderen Dingen, nach dem, was er berichtet hat, in einer unendlichen Anzahl von Bänden in der Volkssprache geschrieben, die, wenn sie ans Licht kommen, sehr erkenntnisreich und wohltuend zu lesen sein werden.
In dem besagten Palast hat man eine nicht kleine Bibliothek gesehen, die nicht nur mit Schreibtischen von Kopf bis Fuß, sondern auch mit Regalen von unten bis oben ausgestattet war, die alle voll mit Büchern waren. Zusätzlich zu diesen gibt es einige in einem Schrank in Kisten aufbewahrt. Die besagten Bücher sind alle aus Pergament, mit schöner Handschrift geschrieben, mit verschiedenfarbiger Seide überzogen und mit pompösen Schlössern und Verschlüssen aus vergoldetem Silber versehen. Dort wurde uns die Triomphi von Petrarca gezeigt, die von einem Flamen mit einer ganz hervorragenden Miniatur handgeschrieben wurde. Und die Remedio contra adversam fortunam von demselben Messer Francesco. Ein gewisses Stundenbuch der Madonna in großem Umfang mit seinen Geschichten, und die Geheimnisse der Passion der Malerei, sehr schön und alt. Eine der Metamorphosen in lateinischer und französischer Sprache, alle verziert, mit vielen anderen schönen Büchern, die aus Zeitmangel nicht gesehen werden konnten. Und in einem der besagten Bücher waren in den Ecken und in der Mitte sehr schöne Einfassungen oder Kameen aus Muscheln in Form eines halben großen Eies der Länge nach angebracht, sehr fein gearbeitet. Unter diesen Büchern befinden sich viele, die aufgrund der Wappen auf den Einbänden König Ferdinand dem Ersten und Herzog Ludovico Sforza gehört haben müssen: die von König Ferdinand, die von der unglücklichen Königin Isabella nach dem Tod von König Friedrich in Frankreich gekauft wurden, und die anderen, die, wie ich glaube, bei der Invasion des Herzogtums Mailand erworben wurden.
Es gab auch ein Gemälde, auf dem eine gewisse Dame aus Mailand [La Belle Ferroniere] nach der Natur in Öl gemalt wurde, das sehr schön ist, aber meiner Meinung nach nicht so schön wie Signora Isabella Gualanda [eine für ihre Schönheit gerühmte Dame aus Neapel, der Kardinal (Leiter der Gesandtschaft) kam aus Neapel].
Uns wurde auch ein sehr schönes und großes Astrolabium gezeigt, auf dem die ganze Kosmographie gemalt ist: und in einem der Schränke, von denen es zwei gibt, befindet sich eine sehr geniale Uhr, auf der viele Dinge der Astrologie und Himmelszeichen gezeigt werden. Unter dem Palast befinden sich drei Gärten mit Obst- und Laubbäumen, die durch eine Galerie erreicht werden können"
Die Bedeutung von de Beatis Text für die Kunstgeschichte
Neben Spekulationen zur Todesursache Leonardo da Vincis dient der Reisebericht von Antonio de Beatis häufig als Ausgangspunkt für Nachforschungen zu den darin erwähnten Gemälden. Die Anna Selbdritt und Johannes der Täufer befanden sich demnach ziemlich sicher mit Leonardo in Frankreich, da keine weiteren Gemälde mit diesen Motiven bekannt sind, die mit einer Autorschaft Leonardos in Verbindung gebracht werden. Dennoch könnte es sich dabei auch um andere, heute verschollene Leonardo Werke handeln.
Dass es sich bei der 'Dame aus Mailand' und der 'gewissen Florentinerin' um die Belle Ferroniere bzw. die Mona Lisa handelt, ist zwar sehr plausibel, aber aufgrund der wenigen Informationen des Reiseberichts nicht sicher zu bestimmen. Im Bezug auf die "gewisse Florentinerin", das "sehr schöne Gemälde, das auf Wunsch des Magnifico Giuliano de Medici angefertigt wurde" unterstützt die Aussage die Identifikation der Mona Lisa als Lisa del Giocondo (geborene Gherardini).
In Leonardos Besitz befindliche Gemälde in Cloux (nach de Beatis)

Vermutlich die "Dame aus Mailand" des Reiseberichts von Antonio de Beatis

Antonio de Beatis berichtet auch von "der Madonna und ihrem Sohn, die in den Schoß der heiligen Anna gelegt werden"

Antonio de Beatis nennt sie die "gewisse Florentinerin"

auch dieses Gemälde wird von Antonio de Beatis auf Schloss Cloux gesehen. Es handelt sich vermutlich um das letzte Gemälde Leonardos, das er noch in Rom anfertigte, etwa 3-6 Jahre vor seinem Tod
Leonardos Testament
Am 24.6.1518 notiert Leonardo, dass er die Bauarbeiten am königlichen Palast in Romorantin verlassen habe und nach Schloß Cloux gehe. Das ist der letzte datierte Eintrag Leonardos. Das Datum hat einen hohen Symbolwert. Der 24.6. ist der Johannistag, der Geburtstag Johannes des Täufers. In Florenz ist dieser Tag der höchste Feiertag, da Johannes der Täufer der Schutzheilige der Stadt ist. Leonardo stammte aus Florenz. Dass auch sein vermutlich letztes Gemälde Johannes den Täufer abbildet, zeigt wie verbunden Leonardo mit dieser Symbolfigur ist.
Vermutlich im April 1519, drei Wochen vor seinem Tod, bestellt Leonardo den Notar Boreau und macht sein Testament. Das war im Ständesystem dieser Zeit jedoch nur dem Adel erlaubt. Der nichtadelige Leonardo bekam daher vom französischen König eine Sondererlaubnis, sonst wäre sein Erbe nach damaligen Recht an den König gegangen.
Die Datierung des Testaments
- das Testament wird von dem Notar Boreau mit dem "23.04.1518, vor Ostern" datiert
- der Ostersonntag von 1518 fiel aber auf den 04.04., im Testament hätte es also heißen müssen "23.04.1518, nach Ostern" (und nicht "vor")
- dagegen fiel der Ostersonntag im Jahr 1519 auf den 24.04., dann wäre der "23.04.1519, vor Ostern" korrekt (Leonardos Todesjahr)
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Leonardos Testament nicht 1518, sondern 1519 niedergeschrieben wurde und es sich um eine Verwechslung des Notars oder des Schreibers handelte. Das ist deswegen relevant, weil es hinsichtlich des zeitnahen Todes von Leonardo darauf schließen lässt, dass er wusste, dass er bald sterben würde. Das wiederum deutet auf ein akutes Leiden hin.
Zusammenfassung des Testaments
Angaben zur Beerdigungszeremonie
- Leonardo wollte in der Kirche Saint-Florentin in Amboise beerdigt werden. Die Kirche ist benannt nach dem heiligen Florentin. Der Name Florentin leitet sich ab vom lateinischen Verb florens ('blühend'), ebenso der Name von Leonardos Heimatstadt Florenz, 'die Blühende'. Das Wappen von Florenz ist eine blühende Lilie
- in den vier Kirchen des Königssitzes von Amboise wurden vor der Beerdigung drei feierliche und dreißig stille Messen gehalten
- Leonardos Sarg wurde dann vom Schloss Cloux zu der Kirche Saint-Florentin von den Kaplänen dieser Kirche getragen
- der Sarg wurde begleitet von 60 Armen, die je eine große Kerze trugen, sowie von den Vorstehern der Kirche Saint-Florentin bzw. deren Delegierte und Würdenträgern der drei anderen Kirchen
- die sechzig Kerzen wurden dann zu gleichen Teilen auf die vier Kirchen des Ortes verteilt, also 15 Kerzen je Kirche
Angaben zum Erbe
- Leonardos Schüler Francesco Melzi (28 Jahre alt) wurde zum Testamentvollstrecker ernannt. Er bekam die Notizen, Bücher, Gerätschaften und Kleider Leonardos, sowie den noch ausstehenden Lohn und Leonardos in Cloux vorhandenes Geldvermögen
- Leonardos Brüder bekamen sein Vermögen auf der Bank in Florenz (400 Sonnen-Ecus, ca. 1,4kg Gold)
- Sein Schüler Salai (etwa 39 Jahre alt) bekam die Hälfte eines Grundstücks bei Mailand
- Sein Diener Vilanis die andere Hälfte. Dazu erhielt er die Rechte zum Schöpfen von Wasser am schiffbaren Kanal von St. Christoph in Mailand, die König Ludwig XII. einst an Leonardo übertrug, sowie alle Möbel und Utensilien Leonardos in Cloux
- Seine Magd Maturina bekam ein feines Gewand und zwei Dukaten (etwa 2-3 Monatsgehälter)
- Weiterhin wurde eine geringe Summe an die Armen der Umgebung von Amboise gespendet (70 Soldi= 3,5 Lira ~ etwa ein durchschnittliches Monatsgehalt)
Die Gemälde Leonardos befanden sich nach seinem Tod vermutlich im Besitz seines Schülers Salai. Nach dessen frühen Tod kamen sie in den Besitz des französischen Königs.
Der Originaltext
[Der besseren Übersicht wegen wird der Text mit Absätzen und Überschriften versehen]
[Einleitung]
"Es soll allen Anwesenden und denen, die sich später zu uns gesellen, bekannt gemacht werden, dass am Hofe des Königs unseres Souveräns in Amboise Herr Leonardo da Vinci, Maler des Königs, persönlich vor uns erschienen ist;
Derselbe hält sich gegenwärtig an dem Ort Cloux, in der Nähe von Amboise, auf, und in Anbetracht der Gewissheit des Todes und der Ungewissheit der Stunde desselben hat er vor dem besagten Gericht, dem er sich unterworfen hat und dem er untersteht, und vor uns erklärt und gestanden, dass er durch den Wortlaut dieses Schreibens sein Testament und die Verfügung seines letzten Willens in folgender Weise gemacht und festgelegt hat. Vor allem anderen empfiehlt er seine Seele dem Herrn, unserem Gott, der glorreichen Jungfrau Maria, dem heiligen Erzengel Michael und allen seligen Engeln und Heiligen im Paradies.
[Grabstätte, Überführung und Gottesdienste in vier Kirchen]
Ferner, dass der besagte Erblasser in der Kirche Saint-Florentin in Amboise beigesetzt wird, wobei sein Leichnam von den Kaplänen der Kirche dorthin getragen werden soll.
Ferner, dass sein Leichnam vom besagten Ort zur Kirche Saint-Florentin durch das Kollegium der besagten Kirche, nämlich den Rektor und den Prior, oder durch die Deputierten und die Kapläne der Kirche Saint-Dionysius von Amboise, außerdem durch die Minoriten des besagten Ortes, überführt wird, und bevor sein Leichnam in die Kirche gebracht wird, wünscht der Erblasser, dass in der genannten Kirche St. Florentin drei Hochämter mit Diakon und Subdiakon gefeiert werden, und an dem Tag, an dem drei Hochämter gefeiert werden, sollen auch dreißig gregorianische stille Messen gehalten werden.
Ferner sollen in der Kirche St. Dionysius die gleichen Gottesdienste wie oben gefeiert werden.
Ferner sollen die gleichen Gottesdienste in der Kirche der oben genannten Mönche und Minoritenbrüder gefeiert werden.
[Bücher und Instrumente an Francesco Melzi]
Außerdem schenkt und vermacht der oben genannte Erblasser dem Messer Francesco de Melzo, Edelmann aus Mailand, als Bezahlung für die ihm in der Vergangenheit durch seine eigene Höflichkeit geleisteten Dienste alle und jedes einzelne der Bücher, die der Erblasser gegenwärtig besitzt, und außerdem die Instrumente und Abhandlungen über seine Kunst und die Technik des Malers.
[Grundstück in Mailand an Salai und Battista de Vilanis]
Außerdem schenkt und vermacht derselbe Erblasser seinem Diener Battista de Vilanis für immer und ewig die Hälfte, d.h. die Hälfte des Gartens, den er vor den Toren von Mailand besitzt, und die andere Hälfte desselben Gartens seinem Diener Salai; In diesem Garten hat der besagte Salai ein Haus errichtet und gebaut, das ebenfalls dem besagten Salai, seinen Erben und Nachfolgern für immer gehören und verbleiben soll, als Entschädigung für die guten und willkommenen Dienste, die ihm seine Diener, die besagten de Vilanis und Salai, von nun an und für immer geleistet haben.
[Gewand und Lohn an Maturina]
Ferner schenkt derselbe Erblasser seiner Magd Maturina ein Obergewand von gutem schwarzem Tuch, das mit Leder gefüttert ist, und eine einmalige Zahlung von zwei Dukaten: auch dies als Vergütung für gute Dienste, die dieselbe Maturina ihm geleistet hat, von jetzt an und für immer.
[Der Trauermarsch mit 60 Kerzen]
Ferner wünscht er, dass bei seinem Begräbnis sechzig große Wachskerzen von sechzig Armen getragen werden, denen nach dem Ermessen des besagten Melzi Geld dafür gegeben werden soll, und diese Wachskerzen sollen auf die vier genannten Kirchen verteilt werden.
[Weitere Kerzen für die vier Kirchen]
Ferner gibt der besagte Erblasser jeder der oben genannten Kirchen zehn Pfund Wachs in Form von großen Kerzen, die in den besagten Kirchen aufgestellt werden sollen, um an dem Tag, an dem die besagten Gottesdienste abgehalten werden, zu dienen.
[Spenden an die Armen]
Außerdem sollen die Armen im Hospiz, die Armen des heiligen Lazarus von Amboise, etwas erhalten, und dafür soll die Summe und der Betrag von siebzig soldi tornesi an die Schatzmeister dieser Bruderschaft gegeben und bezahlt werden.
[Ausstehender Lohn und Kleider an Francesco Melzi]
Ferner schenkt und vermacht derselbe Erblasser dem besagten anwesenden und zustimmenden Herrn Francesco da Melzi den Rest seines bis zu seinem Todestag fälligen Gehalts und die Geldsumme, die der Schatzmeister oder Hauptkämmerer M. Johan Sapin ihm schuldet, und die Geldsumme, die er von dem vorgenannten Sapin als sein besagtes Gehalt erhalten hat, und für den Fall, dass er den vorgenannten Melzi vorverstirbt, und nicht anders, [vermacht er ihm] die Gelder, die sich nach seinen Angaben gegenwärtig im Besitz des besagten Erblassers an dem besagten Ort Cloux befinden. Und ebenso schenkt und vermacht er dem besagten Melzi alle seine Kleider, die er gegenwärtig in dem besagten Ort Cloux besitzt, sowohl als Belohnung für die guten und angenehmen Dienste, die er ihm geleistet hat, für diesen Tag und alle Zeit, als auch als Lohn und Honorar für seine Mühe, die er durch die Ausführung dieses Testaments haben mag, alles jedoch auf Kosten des besagten Erblassers.
[Bankvermögen an Leonardos Brüder]
Er bestimmt und will, dass die Summe von vierhundert Sonnen-Ecus, die sich in den Händen des Kämmerers von Santa Maria Nuova in der Stadt Florenz zur Verwahrung befinden, seinen in Florenz wohnenden leiblichen Brüdern gegeben wird, und dazu die Zinsen und Erträge, die die genannten Kämmerer dem genannten Erblasser bis heute auf die genannten vierhundert Ecus schulden, von dem Tag an, an dem sie vom genannten Erblasser den genannten Kämmerern übergeben und anvertraut wurden.
[Francesco Melzi soll das Testament vollstrecken]
Ferner will und bestimmt der besagte Erblasser, dass der besagte Herr Francesco da Melzi der einzige und ausschließliche Testamentsvollstrecker des gesamten Testaments des besagten Erblassers ist und bleibt, und dass das besagte Testament seine volle und vollständige Wirkung erlangt, und dass das, was erklärt und gesagt wurde, beibehalten und beachtet, überwacht und befolgt wird, wobei der besagte Erblasser, Herr Leonardo da Vinci, der hierin selbst erscheint, hiermit seine Erben und Nachfolger mit allen seinen gegenwärtigen und zukünftigen beweglichen und unbeweglichen Gütern gebunden und verpflichtet und hat hiermit ausdrücklich auf alles Gegenteilige verzichtet.
[Zeugen und Schlussformel]
Gegeben in dem besagten Ort Cloux, in Anwesenheit von Magister Spirito Fleri, Vikar der Kirche St. Dionysius von Amboise, M. Guilelmo Croysant, Pfarrer und Kaplan, Magister Cipriane Fulchin, Frater Francesco de Corton und Francesco von Mailand, Frater des Minoritenklosters in Amboise, die als Zeugen für das besagte Gericht berufen und vorgeladen wurden, und in Anwesenheit des vorgenannten, zustimmenden und einwilligenden Herrn Francesco da Melzi, der durch seinen Glauben und Eid auf seinen Körper, der uns persönlich übergeben wurde, versprochen hat, nie etwas dagegen zu tun, nie etwas dagegen zu sagen, nie etwas dagegen zu unternehmen. Zum Zeichen der Wahrhaftigkeit und wie in den rechtlichen Verträgen von Amboise gefordert und dargelegt, mit dem königlichen Siegel versehen. Gegeben am 23. Tag des April 1518, vor Ostern.
[Rechte am schiffbaren Kanal von St. Christoph an Battista de Vilanis]
Und am 23. April 1518, in Anwesenheit von M. Guilelmo Borian, königlicher Notar am Hof von Amboise, hat der vorgenannte Messer Leonardo da Vinci in seinem Testament und der vorgenannten Verfügung seines letzten Willens und Testaments dem vorgenannten anwesenden und zustimmenden M. Battista de Vilanis das Recht an den Gewässern, die zum schiffbaren Kanal von St. Christoph im Herzogtum Mailand gehören, das der in ehrwürdigem Andenken bewahrte, verstorbene König Ludwig XII. dem besagten da Vinci einst geschenkt hatte, damit der besagte de Vilanis es immer in der Art des besagten Herrn, der es ihm geschenkt hat, genießen kann. In Anwesenheit von Messer Francesco da Melzi, Edelmann von Mailand, und mir selbst.
[Möbel und Utensilien an Battista de Vilanis]
Und am oben genannten Tag des besagten Monats April im besagten Jahr 1518 schenkte der besagte Herr Leonardo da Vinci in seinem Testament und der oben genannten Verfügung seines letzten Willens dem besagten Herrn Battista de Vilanis, gegenwärtig und annehmend, alle und jedes seiner Möbel und Utensilien aus seinem gegenwärtigen Haus in besagtem Cloux, aber nur für den Fall, dass der besagte de Vilanis den besagten Herrn Leonardo da Vinci überlebt; in Anwesenheit des besagten Herrn Francesco da Melzi und mir selbst, Notar usw. Boreau."
Verbleib der Gemälde Leonardos
Einige der Gemälde Leonardos verblieben stets in dessen Besitz. Unter anderem die Belle Ferroniere, die Anna Selbdritt, die Mona Lisa und Johannes der Täufer.
Nach Leonardos Tod 1519 scheint nach aktuellem Forschungsstand Leonardos langjähriger Schüler Salai diese Gemälde, oder aber Kopien davon, in seinem Besitz gehabt zu haben. Salai starb bereits 1524 in einer nicht näher bekannten Auseinandersetzung durch einen Pfeil. In der Folge stritten seine Ehefrau und seine Schwestern um dessen Nachlass. Dieser bestand hauptsächlich aus Gemälden. In einem notariellen Dokument werden diese aufgelistet, ohne allerdings näher beschrieben zu werden.
Aus den notariellen Akten von Pietro Paolo Crevenna: Salais Nachlass (Auszug)
"Im Namen des Herrn von seiner Geburt an im fünfzehnhundertfünfundzwanzigsten Jahr [1525], dreißigste Ankündigung, am Freitag, den 1. April. Da Johannes Jacobus de Caprotis de Oprena, genannt Salay, Maler bis zum 29. Januar 1524, eines gewaltsamen Todes gestorben ist, und da er die Damen Angelina und Laurentiola, die Schwestern Caprotis de Opprena, als seine legitimen Schwestern und Erben zu gleichen Teilen, sowie auch die Dame Blanca de Anono, seine rechtmäßige Gattin, zurücklässt [...]
1 Gemälde, Leda genannt | 200 Scudo |
1 Gemälde, HI. Anna | 100 Scudo |
1 Gemälde, nach hinten gerückte Frau, genannt La Joconda | 100 Scudo |
1 großes Gemälde mit einem Johannes dem Täufer | 80 Scudo |
1 Gemälde mit einem großen hl. Hieronymus | 40 Scudo |
1 Gemälde mit einer halb Nackten | 25 Scudo |
1 Gemälde mit einem halbnackten hl. Hieronymus | 25 Scudo |
1 kleines Gemälde mit einem jungen heiligen Johannes | 25 Scudo |
1 mit einem Christus wie einem Gottvater | 25 Scudo |
1 Madonna mit ihrem Kind im Arm | 20 Scudo |
1 Christus an der Säule, unvollendet | 5 Scudo |
[...]"
Dass es sich dabei um Originale aus der Werkstatt Leonardos handelte, bzw. Werke seiner Schüler, ergibt sich aus der verhältnismäßig hohen Summe, mit der die Werke bewertet wurden. Ein sehr guter Maler konnte je nach Größe des Gemäldes zwischen 100 und 300 Scudo verlangen (1 Scudo = 1 Florin = 3,5g Gold, die damals europaweit genormte Goldwährung). Das galt aber nur für Auftragsarbeiten, "gebrauchte" Gemälde wurden meist um ein Vielfaches günstiger gehandelt. Dass die Gemälde Salais teilweise dennoch wie Auftragsarbeiten bewertet wurden, ist daher bemerkenswert.
Nach Leonardos Tod gingen sämtliche seiner Schriften und Notizbücher, heute Codices genannt, in den Besitz seines Schülers Francesco Melzi über, der sie in seiner Villa bei Vaprio d’Adda, Mailand aufbewahrte. Nach modernen Schätzungen könnten es bis zu 20.000 Seiten gewesen sein, teils gebunden, teils in einzelnen Blättern. Nach Melzis Tod wurde die Sammlung aufgelöst und verstreute sich innerhalb Europas. Die Manuskripte befinden sich heute in Museen in Madrid, London, Paris, Turin, Mailand und Rom. Ein weiteres befindet sich im Privatbesitz des Unternehmers Bill Gates (Codex Leicester).
Leonardos Tod
Leonardo da Vinci stirbt am 02.05.1519. Er wurde 67 Jahre alt. Über die genauen Umstände gibt es keine zeitgenössischen Quellen und so sind sie Anlass zahlreicher Spekulationen. Vor allem, weil der ca. 20 Jahre jüngere Michelangelo ein sehr hohes Lebensalter von 88 Jahren erreichen konnte, wird Leonardos Lebensspanne als zu kurz wahrgenommen.
Berichte von Leonardos Beerdigung sind nicht überliefert, doch ist davon auszugehen, dass sie seinem Testament entsprechend durchgeführt wurde. Im Register des Königlichen Kapitels der Kirche Saint-Florentin lässt sich dann auch folgender Eintrag finden:
"Im Kreuzgang dieser Kirche wurde beigesetzt: Meister Lionard de Vincy, Edler aus Mailand, erster Maler, Ingenieur und Architekt des Königs, Staatlicher Experte der Mechanik und ehemaliger Direktor der Malerei beim Herzog von Mailand."
Die Kirche Saint-Florentin ist erhalten geblieben, doch Leonardos Grab wurde während der Hugenottenkriege (1562-1598) zerstört. Seine Überreste galten seitdem als verschollen. Bei späteren Grabungsarbeiten auf dem Gelände des Schlosses von Amboise wurden menschliche Gebeine entdeckt, die für die Überreste Leonardos gehalten wurden. Sie wurden in die Hubertuskapelle überführt, die sich ebenfalls auf dem Gelände des Schlosses in Amboise befindet. Das angenommene Grab Leonardos wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und kann besichtigt werden.
Vasaris Erzählung
Giorgio Vasari war ein Maler und Architekt aus Florenz. Er gilt als der erste Kunsthistoriker und ist heute vor allem für seine Künstlerbiografien bekannt. Seine Leonardo Biografie gilt als erste ausführlichere Beschreibung von Leonardos Leben. Die Biografie wurde ca. 30 Jahre nach Leonardos Tod geschrieben und 1550 veröffentlicht, zu einer erweiterten Ausgabe kam es 1568. Als Leonardo starb, war Vasari sieben Jahre alt.
Vasaris Berichte haben den Ruf, viele Ungenauigkeiten zu enthalten. Unter anderem irrt Vasari in der Angabe von Leonardos erreichtem Lebensalter. Er ließ ihn 75 Jahre alt werden, dabei starb Leonardo bereits mit 67. Vasari berichtet auch von Leonardos Todestag. Seine Darstellung von Leonardos Leben trug viel zur Legendenbildung um Leonardo bei. So beziehen sich bis in die Gegenwart noch viele Kunstschaffende und Kunsthistoriker auf dessen Darstellungen. So ist das berühmte Gemälde "Der Tod des Leonardo da Vinci" (1818) von Ingres nach Vasaris Erzählung entstanden.

Der Originaltext aus Vasaris Leonardo Biografie
"Endlich, alt geworden, lag er viele Monate krank, und als der Tod ihm nahte, wollte er sich mit allem Fleiß in dem katholischen Ritus und der richtigen Lehre der heiligen christlichen Religion unterweisen lassen. Er beichtete reuevoll unter vielen Tränen, und obwohl er nicht mehr auf den Füßen stehen konnte, ließ er sich doch, von den Armen seiner Freunde und Diener unterstützt, das heilige Sakrament außerhalb des Bettes reichen. Der König, der ihn oft und liebevoll besuchte, kam bald nachher zu ihm. Leonardo richtete sich ehrfurchtsvoll empor, um im Bett zu sitzen, schilderte ihm sein Übel mit allen Umständen und klagte, daß er gegen Gott und Menschen gefehlt habe, da er in der Kunst nichts getan hätte, wie seine Pflicht gewesen wäre. Diese Anstrengung rief einen stärkeren Anfall hervor, der der Vorbote des Todes war. Der König erhob sich und hielt ihm das Haupt, um ihm eine Hilfe und Gunst zur Erleichterung seines Übels zu erweisen. Da erkannte Leonardos göttlicher Geist, es könne ihm größere Ehre nicht widerfahren, und er verschied in den Armen des Königs im 75. Jahre seines Lebens."
Dass Leonardo in den Armen des französischen Königs Franz I. starb, ist eine Legende Vasaris. Franz I. feierte an Leonardos Todestag in Saint-Germain-en-Laye die Geburt seines zweiten Sohnes Henri (*31.3.1519).
Sein Tod verursachte allen, die ihn gekannt hatten, größte Betrübnis. Nie war der Malerei von einem Künstler mehr Ehre gemacht worden.
Quellen
Frank Zöllner, Leonardo, Taschen (2019)
Martin Kemp, Leonardo, C.H. Beck (2008)
Charles Niccholl, Leonardo da Vinci: Die Biographie, Fischer (2019)
Besonders empfehlenswert
Marianne Schneider, Das große Leonardo Buch – Sein Leben und Werk in Zeugnissen, Selbstzeugnissen und Dokumenten, Schirmer/ Mosel (2019)
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