[Der besseren Übersicht wegen wird der Text mit Absätzen und Überschriften versehen]
[Einleitung]
"Es soll allen Anwesenden und denen, die sich später zu uns gesellen, bekannt gemacht werden, dass am Hofe des Königs unseres Souveräns in Amboise Herr Leonardo da Vinci, Maler des Königs, persönlich vor uns erschienen ist;
Derselbe hält sich gegenwärtig an dem Ort Cloux, in der Nähe von Amboise, auf, und in Anbetracht der Gewissheit des Todes und der Ungewissheit der Stunde desselben hat er vor dem besagten Gericht, dem er sich unterworfen hat und dem er untersteht, und vor uns erklärt und gestanden, dass er durch den Wortlaut dieses Schreibens sein Testament und die Verfügung seines letzten Willens in folgender Weise gemacht und festgelegt hat. Vor allem anderen empfiehlt er seine Seele dem Herrn, unserem Gott, der glorreichen Jungfrau Maria, dem heiligen Erzengel Michael und allen seligen Engeln und Heiligen im Paradies.
[Grabstätte, Überführung und Gottesdienste in vier Kirchen]
Ferner, dass der besagte Erblasser in der Kirche Saint-Florentin in Amboise beigesetzt wird, wobei sein Leichnam von den Kaplänen der Kirche dorthin getragen werden soll.
Ferner, dass sein Leichnam vom besagten Ort zur Kirche Saint-Florentin durch das Kollegium der besagten Kirche, nämlich den Rektor und den Prior, oder durch die Deputierten und die Kapläne der Kirche Saint-Dionysius von Amboise, außerdem durch die Minoriten des besagten Ortes, überführt wird, und bevor sein Leichnam in die Kirche gebracht wird, wünscht der Erblasser, dass in der genannten Kirche St. Florentin drei Hochämter mit Diakon und Subdiakon gefeiert werden, und an dem Tag, an dem drei Hochämter gefeiert werden, sollen auch dreißig gregorianische stille Messen gehalten werden.
Ferner sollen in der Kirche St. Dionysius die gleichen Gottesdienste wie oben gefeiert werden.
Ferner sollen die gleichen Gottesdienste in der Kirche der oben genannten Mönche und Minoritenbrüder gefeiert werden.
[Bücher und Instrumente an Francesco Melzi]
Außerdem schenkt und vermacht der oben genannte Erblasser dem Messer Francesco de Melzo, Edelmann aus Mailand, als Bezahlung für die ihm in der Vergangenheit durch seine eigene Höflichkeit geleisteten Dienste alle und jedes einzelne der Bücher, die der Erblasser gegenwärtig besitzt, und außerdem die Instrumente und Abhandlungen über seine Kunst und die Technik des Malers.
[Grundstück in Mailand an Salai und Battista de Vilanis]
Außerdem schenkt und vermacht derselbe Erblasser seinem Diener Battista de Vilanis für immer und ewig die Hälfte, d.h. die Hälfte des Gartens, den er vor den Toren von Mailand besitzt, und die andere Hälfte desselben Gartens seinem Diener Salai; In diesem Garten hat der besagte Salai ein Haus errichtet und gebaut, das ebenfalls dem besagten Salai, seinen Erben und Nachfolgern für immer gehören und verbleiben soll, als Entschädigung für die guten und willkommenen Dienste, die ihm seine Diener, die besagten de Vilanis und Salai, von nun an und für immer geleistet haben.
[Gewand und Lohn an Maturina]
Ferner schenkt derselbe Erblasser seiner Magd Maturina ein Obergewand von gutem schwarzem Tuch, das mit Leder gefüttert ist, und eine einmalige Zahlung von zwei Dukaten: auch dies als Vergütung für gute Dienste, die dieselbe Maturina ihm geleistet hat, von jetzt an und für immer.
[Der Trauermarsch mit 60 Kerzen]
Ferner wünscht er, dass bei seinem Begräbnis sechzig große Wachskerzen von sechzig Armen getragen werden, denen nach dem Ermessen des besagten Melzi Geld dafür gegeben werden soll, und diese Wachskerzen sollen auf die vier genannten Kirchen verteilt werden.
[Weitere Kerzen für die vier Kirchen]
Ferner gibt der besagte Erblasser jeder der oben genannten Kirchen zehn Pfund Wachs in Form von großen Kerzen, die in den besagten Kirchen aufgestellt werden sollen, um an dem Tag, an dem die besagten Gottesdienste abgehalten werden, zu dienen.
[Spenden an die Armen]
Außerdem sollen die Armen im Hospiz, die Armen des heiligen Lazarus von Amboise, etwas erhalten, und dafür soll die Summe und der Betrag von siebzig soldi tornesi an die Schatzmeister dieser Bruderschaft gegeben und bezahlt werden.
[Ausstehender Lohn und Kleider an Francesco Melzi]
Ferner schenkt und vermacht derselbe Erblasser dem besagten anwesenden und zustimmenden Herrn Francesco da Melzi den Rest seines bis zu seinem Todestag fälligen Gehalts und die Geldsumme, die der Schatzmeister oder Hauptkämmerer M. Johan Sapin ihm schuldet, und die Geldsumme, die er von dem vorgenannten Sapin als sein besagtes Gehalt erhalten hat, und für den Fall, dass er den vorgenannten Melzi vorverstirbt, und nicht anders, [vermacht er ihm] die Gelder, die sich nach seinen Angaben gegenwärtig im Besitz des besagten Erblassers an dem besagten Ort Cloux befinden. Und ebenso schenkt und vermacht er dem besagten Melzi alle seine Kleider, die er gegenwärtig in dem besagten Ort Cloux besitzt, sowohl als Belohnung für die guten und angenehmen Dienste, die er ihm geleistet hat, für diesen Tag und alle Zeit, als auch als Lohn und Honorar für seine Mühe, die er durch die Ausführung dieses Testaments haben mag, alles jedoch auf Kosten des besagten Erblassers.
[Bankvermögen an Leonardos Brüder]
Er bestimmt und will, dass die Summe von vierhundert Sonnen-Ecus, die sich in den Händen des Kämmerers von Santa Maria Nuova in der Stadt Florenz zur Verwahrung befinden, seinen in Florenz wohnenden leiblichen Brüdern gegeben wird, und dazu die Zinsen und Erträge, die die genannten Kämmerer dem genannten Erblasser bis heute auf die genannten vierhundert Ecus schulden, von dem Tag an, an dem sie vom genannten Erblasser den genannten Kämmerern übergeben und anvertraut wurden.
[Francesco Melzi soll das Testament vollstrecken]
Ferner will und bestimmt der besagte Erblasser, dass der besagte Herr Francesco da Melzi der einzige und ausschließliche Testamentsvollstrecker des gesamten Testaments des besagten Erblassers ist und bleibt, und dass das besagte Testament seine volle und vollständige Wirkung erlangt, und dass das, was erklärt und gesagt wurde, beibehalten und beachtet, überwacht und befolgt wird, wobei der besagte Erblasser, Herr Leonardo da Vinci, der hierin selbst erscheint, hiermit seine Erben und Nachfolger mit allen seinen gegenwärtigen und zukünftigen beweglichen und unbeweglichen Gütern gebunden und verpflichtet und hat hiermit ausdrücklich auf alles Gegenteilige verzichtet.
[Zeugen und Schlussformel]
Gegeben in dem besagten Ort Cloux, in Anwesenheit von Magister Spirito Fleri, Vikar der Kirche St. Dionysius von Amboise, M. Guilelmo Croysant, Pfarrer und Kaplan, Magister Cipriane Fulchin, Frater Francesco de Corton und Francesco von Mailand, Frater des Minoritenklosters in Amboise, die als Zeugen für das besagte Gericht berufen und vorgeladen wurden, und in Anwesenheit des vorgenannten, zustimmenden und einwilligenden Herrn Francesco da Melzi, der durch seinen Glauben und Eid auf seinen Körper, der uns persönlich übergeben wurde, versprochen hat, nie etwas dagegen zu tun, nie etwas dagegen zu sagen, nie etwas dagegen zu unternehmen. Zum Zeichen der Wahrhaftigkeit und wie in den rechtlichen Verträgen von Amboise gefordert und dargelegt, mit dem königlichen Siegel versehen. Gegeben am 23. Tag des April 1518, vor Ostern.
[Rechte am schiffbaren Kanal von St. Christoph an Battista de Vilanis]
Und am 23. April 1518, in Anwesenheit von M. Guilelmo Borian, königlicher Notar am Hof von Amboise, hat der vorgenannte Messer Leonardo da Vinci in seinem Testament und der vorgenannten Verfügung seines letzten Willens und Testaments dem vorgenannten anwesenden und zustimmenden M. Battista de Vilanis das Recht an den Gewässern, die zum schiffbaren Kanal von St. Christoph im Herzogtum Mailand gehören, das der in ehrwürdigem Andenken bewahrte, verstorbene König Ludwig XII. dem besagten da Vinci einst geschenkt hatte, damit der besagte de Vilanis es immer in der Art des besagten Herrn, der es ihm geschenkt hat, genießen kann. In Anwesenheit von Messer Francesco da Melzi, Edelmann von Mailand, und mir selbst.
[Möbel und Utensilien an Battista de Vilanis]
Und am oben genannten Tag des besagten Monats April im besagten Jahr 1518 schenkte der besagte Herr Leonardo da Vinci in seinem Testament und der oben genannten Verfügung seines letzten Willens dem besagten Herrn Battista de Vilanis, gegenwärtig und annehmend, alle und jedes seiner Möbel und Utensilien aus seinem gegenwärtigen Haus in besagtem Cloux, aber nur für den Fall, dass der besagte de Vilanis den besagten Herrn Leonardo da Vinci überlebt; in Anwesenheit des besagten Herrn Francesco da Melzi und mir selbst, Notar usw. Boreau."
Die Datierung des Testaments
Dass das Testament auf 2018 datiert ist, führt häufig zu Irritationen. Heute gilt es als wahrscheinlich, dass es sich dabei lediglich um einen Schreibfehler gehandelt hat
- das Testament wird von dem Notar Boreau mit dem "23.04.1518, vor Ostern" datiert
- der Ostersonntag von 1518 fiel aber auf den 04.04., im Testament hätte es also heißen müssen "23.04.1518, nach Ostern" (und nicht "vor")
- dagegen fiel der Ostersonntag im Jahr 1519 auf den 24.04., dann wäre der "23.04.1519, vor Ostern" korrekt (Leonardos Todesjahr)
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Leonardos Testament nicht 1518, sondern 1519 niedergeschrieben wurde und es sich um eine Verwechslung des Notars oder des Schreibers handelte. Das ist deswegen relevant, weil es hinsichtlich des zeitnahen Todes von Leonardo darauf schließen lässt, dass er wusste, dass er bald sterben würde. Das wiederum deutet auf ein akutes Leiden hin.