Leonardo da Vinci Bildhauerei – Cavallo Leonardo

Leonardos Bildhauerei

Was hat Leonardo da Vinci als Bildhauer gemacht?

Leonardo da Vinci bevorzugte zwar die Malerei als höchste Form der Kunst, doch war er auch als Bildhauer tätig. Im Gegensatz zu klassischen Bildhauern wie Michelangelo, wollte Leonardo jedoch keine Marmorblöcke mit Hammer und Meißel bearbeiten, weil er das als schmutzige und lärmende Tätigkeit empfand. Leonardo bevorzugte stattdessen das saubere, aber technisch anspruchsvollere Bronzegussverfahren.

Welche Skulpturen Leonardos sind bekannt?

Leonardo versuchte zweimal eine monumentale Reiterstatue zu erschaffen. Sie sollte doppelt so hoch werden, wie die größte Bronzestatue der damaligen Welt. Doch aufgrund politischer Umwälzungen, hoher Materialkosten und dem langwierigen Entstehungsprozess eines solchen Kunstwerks, gelang es nur einmal, wenigstens das für den Bronzeguss notwendige Gipsmodell des Pferdes anzufertigen. Das 1494 für den Mailänder Herzog Ludovico Sforza fertiggestellte Gipsmodell war fast sieben Meter hoch und wurde in Mailand öffentlich ausgestellt. Noch bevor es in Bronze gegossen werden konnte, wurde es 1499 zerstört, als die Franzosen Mailand besetzten. Im Jahr 1999, also 500 Jahre nach der Zerstörung des Gipsmodells, entstanden anhand von erhaltenen Skizzen Leonardos zwei moderne Rekonstruktionen des Reiterstandbilds in Originalgröße. Das "Cavallo Leonardo" (ital. 'Leonardos Pferd") befindet sich im italienischen Mailand. Das "American Horse" wurde in Grand Rapids (Michigan, USA) aufgestellt. Allerdings fehlt beiden Reproduktionen der zusätzlich geplante Reiter. Ein weiteres von Leonardo geplantes Reiterstandbild war das Trivulzio Denkmal (ab 1508), das aber nicht über die Entwurfsphase hinausging. Daneben vermuten Kunsthistoriker in einigen Terrakottafiguren frühe Werke Leonardos, die während seiner Ausbildung bei Andrea del Verrocchio entstanden sein sollen. Die Zuschreibung ist allerdings sehr strittig, so dass nur die beiden geplanten Reiterstatuen als bildhauerische Projekte Leonardos angesehen werden können.

Was ist der Paragone?

Der "Paragone delle Arti" (ital. 'Wettstreit der Künste') ist ein Begriff aus der Kunsttheorie. Es geht darum, die Frage zu beantworten, welche Kunstform die vollkommenste ist. Diese Gelehrtendiskussion begann bereits in der Antike und fand in der Renaissance ihre Fortsetzung. Leonardo da Vinci verwendete in seinen Schriften viel Mühe darauf, für die Malerei zu argumentieren. Andere Künstler, wie z.B. Michelangelo argumentierten für die Bildhauerei. Da dieser Wettstreit nicht ohne Herabsetzung der anderen Kunstformen gewonnen werden kann, soll sich zwischen Leonardo und dem jüngeren Michelangelo eine legendäre Fehde entwickelt haben.

Armselig der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft.

Leonardo da Vinci

Ausbildung bei Verrocchio

Leonardo da Vinci wurde im Alter von etwa 12 Jahren Schüler der Werkstatt von Andrea del Verrocchio in Florenz. Verroccio war wie alle Künstler dieser Zeit nicht auf eine Kunstrichtung festgelegt. Er betätigte sich hauptsächlich als Bildhauer und Maler, wobei sein Schwerpunkt auf der Bildhauerei lag. Verrocchios bevorzugte Technik war das Bronzegussverfahren. Für eine seiner Bronzestatuen soll der junge Leonardo Modell gestanden haben. Von Verrocchio sind außerdem Marmorstatuen erhalten.

Der Bronzeguss ist seit der Antike bekannt, jedoch technisch sehr aufwändig. Deswegen und wegen der hohen Materialkosten sind Skulpturen aus Bronze sehr teuer. Die Handelsmetropole Florenz galt zu dieser Zeit als eine der reichsten Städte der Welt. Daher fanden sich ausreichend Auftraggeber und Bronzestatuen kamen wieder in Mode. Neben Verrocchio war der Florentiner Künstler Donatello berühmt für seine Bronzefiguren.

Frühe Werke Leonardos

Die Christusbüste

Leonardo fertigte in seinen Notizbüchern regelmäßig Aufstellungen über seinen Besitz an. Daher ist bekannt, dass Leonardo eine kleine Büste besessen hat, die den Kopf des Christus zeigt. Es ist dabei unklar, ob er die Büste auch selbst angefertigt hat. Eine heute in Privatbesitz (Rom) befindliche Büste aus Terrakotta wird mit dieser Notiz in Zusammenhang gebracht. Einige Kunsthistoriker behaupten, dass sie von Leonardo geschaffen wurde. Leider existieren davon nur einige wenige Fotografien in schlechter Qualität. Die künstlerische Qualität lässt jedoch erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass Leonardo die Büste geschaffen hat.

Der Engel von San Gennaro

In einer Kirche in San Gennaro befindet sich eine Statue, die erst seit den 1960er Jahren als Werk der Verrocchio Werkstatt angesehen wurde. Einige Kunsthistoriker sind der Meinung, dass Leonardo da Vinci sie angefertigt haben könnte. San Gennaro liegt relativ nahe bei Pistoia (ca. 25km), das wiederum recht nah bei Florenz liegt (ca. 30km).

Verrocchio hatte 1477 den Auftrag erhalten in Pistoia ein Altarbild zur Erinnerung an Donato de' Medici auszuführen, dem ehemaligen Bischof von Pistoia. Das Altarbild wurde von dem Verrocchio Schüler Lorenzo di Credi geschaffen. Es gilt als gesichert, dass Leonardo sich 1478 in Pistoia aufhielt (datierte Notiz Leonardos), vermutlich um seinen Mitschüler Lorenzo bei der Konzeption des Altarbildes zu unterstützen. Außerdem wohnte Leonardos Tante Violante dort, die er bei der Gelegenheit besucht haben könnte.

Einige Kunsthistoriker sind der Meinung, dass Leonardo die Terrakotta Statue in San Gennaro angefertigt haben könnte. Dagegen spricht, dass sie aus Terrakotta hergestellt wurde, also gebranntem Ton und daher sehr zerbrechlich ist. Zwar arbeitete Verrocchios Werkstatt häufig mit Terrakotta und Leonardo gibt auch selbst an, diese Form der Bildhauerei zu beherrschen, doch versuchte er seine Kunstwerke immer so herzustellen, dass sie möglichst lange erhalten bleiben konnten. Hinzu kommt, dass die Statue in den Archiven der Kirche von San Gennaro erstmals 1773 erwähnt wird, als sie bei Arbeiten zerbrach und wieder neu zusammengesetzt werden musste. Es könnte sich also auch um ein späteres Werk handeln, dass lediglich in der Art von Leonardos Ästhetik erschaffen wurde.

Das Reiterdenkmal für Ludovico Sforza

Francesco Sforza (1401-1466) wurde der erste Hochadelige aus dem Haus der Sforzas, als er das Herzogtum Mailand erhielt. Sein Sohn Ludovico Sforza (1452-1508), Herzog von Mailand und Leonardos Dienstherr in seiner Mailänder Zeit (1482-1499), wollte ihm zu Ehren ein gewaltiges bronzenes Reiterstandbild in Mailand errichten. Die Statue sollte über sieben Meter hoch werden. Entwurf, Konstruktion des Gussmodells und der Guss selbst waren in der Dimension bis dahin noch nie durchgeführt worden. Das Vorhaben war für die Bildhauer jener Zeit eine große technische Herausforderung. So fanden bereits seit den 1470er Jahren öffentliche Ausschreibungen statt, doch hatte sich noch niemand gefunden, der den Auftrag übernehmen wollte.

Zeitgenössische Reiterstandbilder

Das Reiterstandbild der Sforzas sollte das größte seiner Zeit werden. Reiterstandbilder waren seit der Antike prestigeträchtige Kunstwerke gewesen. Vor allem das erhalten gebliebene Reiterstandbild des antiken römischen Kaisers Marc Aurel (121-180 n. Chr.) gilt bis heute als eines der bedeutendsten seiner Art. Die Künstler der Renaissance sahen sich im Wettbewerb mit den Werken der Antike. Mit dem zunehmenden Selbstbewusstsein der italienischen Stadtstaaten im 14. und 15. Jh und den immer besseren Fähigkeiten ihrer Künstler wuchs der Wunsch, dieses Selbstbewusstsein durch monumentale Kunstwerke auszudrücken und die der Antike zu übertreffen. Die Statuen sollten zum einen die Macht der Stadtstaaten repräsentieren, zum anderen durch ihre Schönheit ein Symbol für die Kunstfertigkeit ihrer Künstler sein.

Leonardos Begeisterung für Pferde

Zur Zeit der Renaissance waren Pferde in den Städten allgegenwärtig. Sie dienten als Last- und Transporttiere. Besonders schöne Pferde galten als Statussymbole. Leonardo besaß spätestens mit der Gründung seiner eigenen Werkstatt um 1478 eigene Pferde. Er bewunderte sie vor allem für ihre Fähigkeit, sich nur von Gras zu ernähren, und dennoch eine ungeheure Muskelkraft entwickeln zu können. Das hat den Vegetarier Leonardo sehr beeindruckt.

Dem jungen Künstler Leonardo war sicherlich bewusst, dass eines Tages seine wohlhabenden Auftraggeber die Darstellung eines repräsentativen Pferdes von ihm erwarteten. Er besaß daher eine gute Kenntnis von deren Anatomie. Er hatte einige Pferde seziert, und seine Notizbücher zeigen, dass er auch Untersuchungen zu den Proportionen ihrer Glieder anstellte, ähnlich wie er es auch beim Vitruvianischen Menschen getan hatte.

Leonardos Bewerbung für das Projekt

Leonardo da Vinci bewarb sich 1482 mit seinem berühmten Brief an Ludovico Sforza als Hofingenieur und Hofkünstler für den Mailänder Hof. Darin empfahl er sich fast beiläufig und erst am Schluss des Briefes für die Realisierung eines Reiterstandbildes.

"Ich beschäftige mich auch mit Skulpturen in Marmor, in Bronze und in Erden [Terrakotta]; ebenso fertige ich Gemälde, alles was man will. Ich würde auch an einer Reiterstatue in Bronze arbeiten können, welche zum unsterblichen Ruhme und ewiger Ehre, also auch zur glücklichen Erinnerung Eurer Herrlichkeit Vaters und des fürstlichen Hauses Sforza errichtet werden soll."

Die Zweifel des Herzogs

Die Planungen zu der Statue wurden immer konkreter und der Herzog erteilte Leonardo um 1488 den Auftrag. Ihm kamen jedoch kurz darauf Zweifel an Leonardos Qualifikationen auf, und er ließ im Juli 1489 ein geheimes Schreiben an Lorenzo de' Medici aufsetzen, Leonardos ehemaligen Mäzen in Florenz.

"[...] Herr Ludovico will seinem Vater ein würdiges Grabmal bereiten und hat in der Zwischenzeit Leonardo da Vinci beauftragt, ein Modell anzufertigen. Es handelt sich um ein überdimensional großes Bronzepferd, auf dem Herzog Francesco in voller Rüstung sitzt. Und da Seine Durchlaucht, der Herzog, eine Sache von höchstem Rang ausführen will, hat er mir aufgetragen, Euch in seinem Namen zu schreiben, dass er wünscht, dass Ihr einen oder zwei Meister schickt, die für diese Arbeit geeignet wären. Und obwohl Seine Durchlaucht den Auftrag bereits an Leonardo da Vinci vergeben hat, scheint es mir nicht so, dass er sich für die Ausführung besonders empfiehlt [...]".

Durchführung des Projekts

Doch es fand sich kein anderer für das Projekt, zumindest behielt Leonardo den Auftrag. Aufgrund ihrer enormen Höhe von 7m stellte die Statue allein wegen der tragenden Konstruktion eine Herausforderung dar. Leonardo fertigte mehrere Entwürfe an. Eine erste Version mit einem sich aufbäumenden Pferd wurde wegen der schwierigen Ausbalancierung verworfen. Vermutlich war diese Änderung am Entwurf der Moment, in dem Ludovico Sforza Zweifel an Leonardos Eignung für das Projekt aufkamen.

Eine zweite Version zeigte dann nur noch ein trabendes Pferd, was leichter zu realisieren war. Typisch für Leonardo zeigt diese Version dennoch eine herausfordende Besonderheit. Das Pferd steht nicht, wie bei den zeitgenössischen Vorbildern, auf drei Beinen, sondern nur auf zwei. Das erhöht den Realismus der Darstellung enorm und verleiht der Skulptur eine dynamischere Erscheinung, macht es aber auch schwieriger die Skulptur so auszubalancieren, dass sie nicht umkippt. Das, und die Größe des Standbildes zeigen, dass Leonardo etwas nie zuvor dagewesenes Schaffen wollte.

Leonardo erarbeitete in der Folge konkrete Pläne zur Durchführung des Bronzegussverfahrens. 1494 schließlich wurde ein vorbereitendes Gipsmodell in Originalgröße angefertigt und öffentlich ausgestellt. Das 7m große Gipsmodell war für den Guss unbedingt notwendig. Zahlreiche YouTube Kurzdokumentationen zeigen an modernen Beispielen die einzelnen Schritte des aufwändigen Bronzegussverfahrens.

Zerstörung des Gipsmodells

Für die finale Umsetzung der gewaltigen Skulptur wurde dann die enorme Menge von 70t Bronze herbeigeschafft, die allerdings 1495 kurzfristig für den Bau von Kanonen zweckentfremdet wurde. Der Mailänder Herzog brauchte Waffen für einen Krieg mit den Franzosen. Nach kurzfristigen Erfolgen verlor der Herzog den Krieg mit Frankreich und wurde 1499 durch den Einmarsch der Franzosen aus Mailand vertrieben. Das bestehende Gipsmodell wurde nach der Eroberung Mailands 1499 durch französische Soldaten vollständig zerstört. Wäre das Reiterstandbild wie ursprünglich beabsichtigt im Zentrum von Mailand aufgestellt worden, hätte das gewaltige bronzene Pferd zu Ehren von Il Moro (Der Schwarze), wie Ludovico Sforza auch genannt wurde, sicherlich auch heute noch von seiner Imposanz gezeugt.

Moderne Nachbildungen

Anlässlich des bevorstehenden 500. Jahrestages der Zerstörung von Leonardos Gipsmodell wurde 1997 anhand von originalen Zeichnungen Leonardos der Versuch unternommen, die von ihm geplante Statue zu rekonstuieren. So sind nach einem Entwurf des japanischen Künstlers Nina Akamu zwei moderne Nachbildungen entstanden, die mit ca. 7m Höhe so groß sind, wie Leonardos zerstörtes Gipsmodell. Eine "American Horse" genannte Replik wurde in den USA aufgestellt. Sie befindet sich im Frederik Meijer Gardens and Sculpture Park in Grand Rapids, Michigan. Die zweite Statue wurde 1999 in Mailand aufgestellt und wird "Cavallo Leonardo" (ital. 'Leonardos Pferd') genannt. Sie befindet sich im Stadtteil San Siro, wenige Meter entfernt vom Mailander Fußballstadion, an der Pferderennbahn, dem "Hippodrome de San Siro".

Es versteht sich von selbst, dass die beiden Nachbildungen nicht exakt Leonardos Entwurf entsprechen können, zumal beiden Modellen der Reiter – also Franceso Sforza – fehlt, dennoch können sie heute eine Vorstellung von der monumentalen Größe des Projekts vermitteln.

Leonardo da Vinci Bildhauerei – Cavallo Leonardo
Cavallo Leonardo, 1999, Mailand
Die moderne Replikation ist nach Zeichnungen aus Leonardos Notizbüchern entstanden. Sie ist wie das Original 7m hoch. Das Pferd sollte ursprünglich noch einen Reiter tragen, doch hat Leonardo hierzu keine genauen Zeichnungen hinterlassen

Hintergrund: Die Anzahl der Hufe in der Luft

Häufig ist zu lesen, dass die Position der Hufe die Todesumstände des Reiters symbolisiert.

  • so sollen vier Hufe am Boden auf eine natürliche Todesursache hinweisen
  • ein erhobener Huf soll die Bedeutung eines Todes in Bewegung haben (z.B. während einer Reise oder einem Feldzug)
  • die zwei erhobenen Hufe eines sich aufbäumenden Pferdes sollen auf einen Tod im Kampf hindeuten

Es gibt jedoch keine feste Regel, die besagt, dass die Position der Hufe immer die Todesursache des Reiters widerspiegelt. Die weiter oben gezeigten zeitgenössischen Reiterstandbilder haben zwar alle genau einen erhobenen Huf, aber nur Mark Aurel starb tatsächlich auf einer Reise, die anderen zwei starben eines natürlichen Todes.

Demnach ist es plausibler, die Position der Hufe zum einen über die künstlerische Absicht zu erklären und zum anderen über die technischen Fertigkeiten des Künstlers. Ein Pferd, das mit allen vier Hufen auf dem Boden steht, strahlt Ruhe und Erhabenheit aus, kann aber auch langweilig wirken. Es ist außerdem leicht im Gleichgewicht zu halten und kann nicht so leicht umkippen. Ebenso wie ein Pferd, dass nur einen Huf anhebt. Es wirkt zwar in Bewegung, steht aber noch sehr fest auf den anderen drei Beinen.

Leonardo hingegen wollte nicht nur die größte Reiterstatue der damaligen Welt erschaffen, sondern auch eine, bei der das Pferd nur auf zwei Beinen steht. Dass der dargestellte Francesco I. Sforza im Krankenbett starb und nicht in einem Kampf, spricht auch hier dafür, dass es bei der Art der Darstellung um den künstlerischen Ausdruck ging. Eine erste, aufbäumende Version, hat Leonardo vermutlich aufgrund der technischen Herausforderung verworfen und entschied sich dann für ein trabendes Pferd mit zwei erhobenen Hufen. Oder anders ausgedrückt: das etwa sieben Meter hohe Reiterstandbild hätte samt dem Reiter nur auf den zwei Beinen des Pferdes gestanden. Da Leonardo bereits das Gipsmodell für den Gussabdruck fertiggestellt hatte, muss es ihm gelungen sein, die Statue so auszubalancieren, dass sie nicht umkippt. Die weiter oben abgebildete, vier Meter hohe Reiterstatue des Bartolomeo Colleoni, die etwa zeitgleich von Leonardos Lehrer Andrea del Verrocchio fertiggestellt wurde, hat nur einen erhobenen Huf. Insofern hat Leonardo mit dem Sforza Standbild sicher auch seine Meisterschaft im Bronzeguss unter Beweis stellen wollen.

Das Trivulzio Denkmal

Nachdem der Mailänder Herzog Ludovico Sforza 1499 aus Mailand vertrieben wurde, verließ auch Leonardo die Stadt und hielt sich in der Folge hauptsächlich in seiner Heimatstadt Florenz auf. Da er gute Verbindungen zum französischen Königshof hatte, bekam er um 1506 das Angebot erneut in Mailand tätig zu werden, nur diesmal für den französischen Statthalter. In der Folge pendelte Leonardo zwischen Florenz und Mailand. Ab 1508 hielt sich Leonardo hauptsächlich in Mailand auf. Zu seinen neuen Aufgaben zählte unter anderem die Realisierung eines Denkmals für den siegreichen französischen Feldherren Gian Giacomo Trivulzio, der das Herzogtum Mailand eroberte. Trivulzio entstammte einer alten Mailänder Adelsfamilie, hatte sich aber mit Ludovico Sforza überworfen und trat als Söldner in französische Dienste. Für die Eroberung von Mailand wurde er zum Marschall von Frankreich ernannt.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Trivulzios Denkmal kaum über die Entwurfsphase hinausging. Denn Massimiliano Sforza, ein Sohn des ehemaligen Herzogs von Mailand, konnte 1512 mit Hilfe von Schweizer Söldnern das Herzogtum Mailand zurückgewinnen. Die Idee eines Denkmals für Trivulzio war nun durch die Ereignisse überholt. 1513 verließ Leonardo Mailand endgültig und folgte dem Ruf des Papstes nach Rom. Bis zu seinem Tod 1519 hat Leonardo an keinem weiteren Reiterstandbild gearbeitet.

Paragone – Wettstreit der Künste

Die Debatte darüber welches die höchste Form der Künste sei, wird Paragone genannt, es handelt sich dabei um einen jahrhundertealten Disput unter Gelehrten, der bis in die Antike zurückreicht. Leonardo hat die Malerei stets als höchste Form der Künste betrachtet und beteiligte sich mit einigen Schriften aktiv am Paragone.

Dabei ging es nicht nur um eine geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern auch um die Frage der gesellschaftlichen Anerkennung der Malerei als freie Kunstform mit allen damit verbundenen Privilegien für die Maler. Dies waren zum Beispiel Forderungen nach eigenen Zünften, Steuernachlässen, bis hin zur Berechtigung zum Führen von Adelstiteln. Der Disput wurde schriftlich und mit öffentlichen Diskussionen geführt, teils mit heftigen rhetorischen Anfeindungen zwischen den Künstlern der verschiedenen Gattungen.

Leonardos Vergleich von Malerei und Bildhauerei

Bildhauerei

"Arbeitet der Bildhauer an seinem Werk, so entfernt er durch die Anstrengung von Arm und Hammer Marmor und anderes Gestein, die die innen eingeschlossene Gestalt in Übermaß verdecken, was eine durchaus mechanische Tätigkeit ist und oft mit viel Schweiß und Staub, die einander zu Schlamm mischen, einhergeht. Mit seinem über und über von Marmorstaub bedecktem Gesicht sieht er aus, als ob es auf seinen Rücken geschneit hätte, und sein Haus ist dreckig, voller Steinsplitter und Staub."

Malerei

"Ganz im Gegenteil zum Maler (ich spreche hier ausschließlich von hervorragenden Malern und Bildhauern), weil der Maler bequem und wohlbekleidet vor seinem Werk sitzend den leichtesten Pinsel mit entzückenden Farben schwingt. Seine Kleidung folgt ganz seinem Geschmack und sein Haus, geschmückt mit reizenden Gemälden, bleibt sauber, oft lässt er sich begleiten von Musik oder wechselreichen, angenehmen Lektüren, denen er freudig folgt ohne lautes Hämmern und sonstigen Lärm."

Leonardo malt die Mona Lisa – Cesare Maccari
Leonardo malt die Mona Lisa, 1863, Cesare Maccari

Leonardo und Michelangelo

Vermutlich liegt im Paragone auch der Grund, warum es zu Leonardos Zerwürfnis mit dem berühmten Bildhauer und Maler Michelangelo kam. Denn Michelangelo gab der Bildhauerei den Vorzug und argumentierte für diese. Zwischen Leonardo und Michelangelo soll eine legendäre Feindschaft bestanden haben. Der frühe Leonardo Biograf Vasari schreibt 1550:

"Zwischen Leonardo und Michelangelo herrschte große Abneigung, und der Wettbewerb zwischen beiden war schuld, daß Michelangelo Florenz verließ, wobei ihn der Herzog Giuliano entschuldigte, da er vom Papst wegen der Fassade von San Lorenzo berufen worden war. Als Leonardo dies hörte, ging er auch von dannen und begab sich nach Frankreich, wo der König mehrere Werke von ihm besaß und ihm sehr gewogen war".

Michelangelos Kommentar zum Sforza Pferd

Ein namentlich unbekannter Biograf (Codex Magliabechiano, um 1540) berichtet von einer Äußerung Michelangelos zum Sforza Pferd:

"Und als Lionardo und Giouanni da Gauine aus Santa Trinità an der Bank der Spini vorbeikamen, wo sich eine Versammlung guter Männer befand und wo eine Passage aus Dante diskutiert wurde, riefen sie Leonardo und sagten ihm, dass er ihnen diese Passage erklären sollte. Und als Michelangelo zufällig vorbeikam und von einem von ihnen gerufen wurde, antwortete Leonardo: 'Michelangelo wird es selbst verkünden'. Michelangelo dachte, er hätte das gesagt, um ihn zu verhöhnen, und antwortete zornig: 'Auch du solltest es erklären können, denn du hast eine Zeichnung von einem Modell angefertigt, um es in Bronze zu gießen, und konntest es nicht gießen und hast es aus Scham in Ruhe gelassen'. Und nachdem er dies gesagt hatte, schnitt er ihnen die Worte ab und ging weg, woraufhin Leonardo zurückblieb, der wegen der genannten Worte rot wurde."

Der Herzog verlor die Macht, sein Hab und Gut und die Freiheit. Und kein Werk für ihn wurde zu Ende geführt.

Leonardo da Vinci nach der Vertreibung des Mailänder Herzogs durch die Franzosen

Quellen

Frank Zöllner, Leonardo, Taschen (2019)

Martin Kemp, Leonardo, C.H. Beck (2008)

Charles Niccholl, Leonardo da Vinci: Die Biographie, Fischer (2019)

Frank Zöllner/ Johannes Nathan, Leonardo da Vinci - Sämtliche Zeichnungen, Taschen (2019)

Besonders empfehlenswert

Marianne Schneider, Das große Leonardo Buch – Sein Leben und Werk in Zeugnissen, Selbstzeugnissen und Dokumenten, Schirmer/ Mosel (2019)

Leonardo da Vinci, Schriften zur Malerei und sämtliche Gemälde, Schirmer/ Mosel (2011)

Nobody is perfect - das gilt auch für nicofranz.art!

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